
WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT KOMMENTAR
Gegen den
Generalverdacht!
„Finger weg vom Verband!“ – das scheint bei
manchem Rechtsanwalt die plumpe und einfache
Empfehlung auf eine Durchsuchung
seines Mandanten durch die Beamten des
Bundeskartellamts zu sein. Der dadurch kolportierte
Generalverdacht gegenüber verbandlichen
Aktivitäten gefährdet die Weiterentwicklung
der Branche und Technologie
durch vorwettbewerblichen Austausch, Forschung
und Interessensvertretung und schadet
damit allen Beteiligten. Er entbehrt zudem
jeder sachlichen Grundlage, da es nach eigener
Aussage noch nie eine solche Forderung
des Kartellamts selbst oder gar eine Honorierung
eines Rückzugs aus der Verbandsaktivität
im Rahmen eines Verfahrens gegeben hat.
Ob Dienstleistungen
von Verbänden
(zum Beispiel
Statistiken)
kartellrechtswidrig
oder kartellrechtskonform
sind, hängt
manchmal
von der Konstellation,
beispielsweise
der Zusammensetzung
eines Arbeitskreises
oder der Ausgangssituation,
ab und ist nicht immer eindeutig.
Das Bundeskartellamt
steht
in einem solchen
Fall für Gespräche
zur Verfügung.
Diese sollen
die kartellrechtliche
Selbsteinschätzung
der betroffenen
Wirtschaftsteilnehmer
ergänzen,
nicht ersetzen.
Das Bundeskartellamt
fordert
grundsätzlich
weder den Austritt
aus Verbänden
noch die Einstellung
der Mitarbeit
in Verbandsgremien
– nicht als strafmilderndes
„Nachtatverhalten“
und
auch nicht als vorbeugende
Compliance
Maßnahme.
Es fordert
grundsätzlich
auch nicht die Absage
oder Nichtteilnahme
an
Branchen- oder Fachveranstaltungen,
auch wenn dort selbstverständlich
Wettbewerber
präsent
sind. Erst recht fordert
das
Bundeskartellamt
grundsätzlich
nicht die Auflösung
von Verbänden.
AUSBLICK
Verbände
spielen für den demokratischen
Willensbildungsprozess
eine entscheidende
Bedeutung.
Das Bundeskartellamt
fordert
daher grundsätzlich
weder einen Austritt
von Unternehmen
aus einem Verband
noch eine Nichtteilnahme
an Branchentagungen
oder Fachveranstaltungen.
Es fordert
jedoch
von Verbänden
und deren Mitgliedern
im Rahmen
der Verbandsarbeit
die Vorschriften
des Kartellrechts
einzuhalten.
In den mittlerweile
60 Jahren seines Bestehens
ist das Verhältnis
des Bundeskartellamts
zu Verbänden
von einem stetigen
„Auf und Ab“ geprägt
gewesen.
Seit geraumer
Zeit befinden
wir
uns offenbar
in einer angespannten
Phase, die zu entsprechender
Verunsicherung
von Mitgliedsunternehmen
und Verbänden
auch in der stahlverarbeitenden
Industrie
geführt
hat. Gerade
deshalb
ist es derzeit
besonders
wichtig, dass die Verbände
im
Dialog mit dem Bundeskartellamt
bleiben,
damit sie sich wieder
mit voller Kraft um ihre Kernaufgaben
kümmern
können, unterstützt
durch ihre Mitglieder,
ohne die eine effiziente
Interessensvertretung
der Wirtschaftsbranche
und deutscher
Wirtschaftsinteressen
nicht möglich
ist.
Wenn Verbandstagungen
abgesagt
werden, weil Wettbewerber
daran teilnehmen,
wenn Fachtagungen
abgesagt
werden, weil
Wettbewerber
daran teilnehmen,
wenn Verbandsarbeit
eingestellt
wird, weil Wettbewerber
daran teilnehmen
– spätestens
dann ist die Zeit für einen Dialog mit dem Bundeskartellamt
gekommen.
Das Bundeskartellamt
steht für einen solchen Dialog
bereit.
52 massivUMFORMUNG | SEPTEMBER 2018