
AUTORIN
Dr.-Ing. Vera Wirths
ist Gruppenleiterin
Werkstoffanwendung
und
-entwicklung
der Abteilung
Qualitätsplanung
und Laborleiterin
Metallographie
und mechanisch
technologisches
Labor
der Abteilung
Werkstofftechnik
bei der BGH Edelstahl
Siegen GmbH
Die Wärmebehandlung
und speziell
die Abkühlung
von warmumgeformten
Komponenten
bringen
metallkundliche
Herausforderungen
mit sich, die beachtet
werden
müssen,
um gute
Eigenschaftskombinationen
zu gewährleisten.
So kann es beispielsweise
bei niedriglegierten
Stählen
zu einem
unkontrollierten
Kornwachstum
aufgrund
von partieller
Auflösung
von
Karbiden
und Nitriden
kommen,
darüber
hinaus
zur Ausbildung
von großen
Ausscheidungen
(Karbiden
und Nitriden)
1. Ein
grobes
Korn bewirkt
einen
gleichzeitigen
Abfall
von Festigkeit
und Zähigkeit.
Große
Ausscheidungen,
zum Beispiel
in Form von
Netzwerken
auf den Korngrenzen,
wirken
sich negativ
auf die
Zähigkeit
aus. Die Festigkeitssteigerung
durch Ausscheidungen
verliert
ebenfalls
die Wirkung,
wenn die Ausscheidungen
zu groß werden
und so weniger
Barrieren
für die Versetzungsbewegung
darstellen
2. Bei hochlegierten
Stählen
kann die
Bildung
von Delta
Ferrit
oder intermetallischen
Phasen
die
mechanischen
Eigenschaften
negativ
verändern
und so zu
früherem
Versagen
der Bauteile
führen
3.
Die Temperaturführung
beim Anlassprozess,
beispielsweise
bei Vergütungsstählen,
kann sich in einem
speziellen
Temperaturbereich
ebenfalls
negativ
auf die mechanischen
Eigenschaften
auswirken.
Das bedeutet,
dass ein zu langes
Verweilen
im Temperaturbereich
zwischen
300 und 500 °C neben
dem Abfall
der Streckgrenzen
und der Zugfestigkeit
eine
Versprödung
begünstigt.
Der Grund: Die Elemente
Phosphor,
Arsen und Antimon,
die aus den wachsenden
Karbiden
zurückgewiesen
werden,
diffundieren
an die ehemaligen
Austenitkorngrenzen
und schwächen
deren
Adhäsion
(300 °C-Versprödung).
Die sogenannte
500 °C-Versprödung
betrifft
vor
allem
Chrom-Mangan
Stähle
sowie
Chrom-Nickel
Stähle,
bei
denen
diese
schädlichen
Elemente
an die Korngrenzen
segregieren
und deren
Adhäsion
schwächen.
Diese
beiden
Effekte
verringern
die Kerbschlagarbeit
4.
TECHNOLOGIE UND WISSENSCHAFT
Neben
diesen
gefügespezifischen
Problemen
können
durch eine
unvorteilhafte
Abkühlung
aus der Umform
beziehungsweise
Anlasshitze
sogenannte
Eigenspannungen
auft
reten,
die
sich teilweise
bei der Endbearbeitung
als Verzug
an den bearbeiteten
Bauteilen
widerspiegeln.
Diese
Eigenspannungen
hängen
beispielsweise
mit dem sogenannten
Leidenfrost
Effekt
zusammen
und den damit
verbundenen
unterschiedlichen
Abschreckwirkungen
von Oberflächen,
die in Wasser
getaucht
werden
5 (Bild 1). Wenn das Material
im Wasser
nicht kontinuierlich
bewegt
wird, bildet
sich eine
Dampfhaut,
die die Oberfläche
des Materials
vor der Abschreckwirkung
des Abschreckmediums
isoliert.
Ab einer
speziellen
Temperatur,
der Leidenfrost
Temperatur,
fällt diese
Dampfhaut
in sich zusammen,
sodass
ein Kontakt
zwischen
Abschreckmedium
und Material
entsteht.
An der Kontaktstelle
tritt eine
unkontrollierte,
hohe
Abschreckwirkung
auf, die die Bildung
von Eigenspannungen
im Material
begünstigt.
Neben
dem Leidenfrost
Effekt
können
auch andere
Prozessschritte
Eigenspannungen
im Bauteil
hervorrufen,
wie beispielsweise
ein nicht ordnungsgemäß
durchgeführter
Richtvorgang
auf Geradheit.
EIGENSPANNUNGEN
UND IHRE
MESSMETHODIK
Eigenspannungen
wirken
im Inneren
eines
metallischen
Werkstücks
und liegen
im Bauteil
im Gleichgewicht
vor. Ihr Auft
reten
kann bei der Wärmebehandlung
beziehungsweise
bei der
Abkühlung
begünstigt
werden,
wie beispielsweise
durch den
erwähnten
Leidenfrost
Effekt.
Eigenspannungen
können
in drei Gruppen
eingeteilt
werden:
Eigenspannungen
I. Art, auch als makroskopische
Eigenspannungen
bezeichnet,
sowie
Eigenspannungen
II. und III. Art,
welche
auch als mikroskopische
Eigenspannungen
bezeichnet
werden.
Bei den Eigenspannungen
III. Art bewegen
sich
die betroffenen
Bereiche
allerdings
in der Größenordnung
der
massivUMFORMUNG | SEPTEMBER 2019 61