
IM FOKUS
Herausforderung Massiver Leichtbau
im Forschungsverbund
Prof. Dr.-Ing.
Hans-Werner Zoch
ist Geschäftsführender Direktor
des Leibniz-Instituts für Werkstofforientierte
Technologien IWT in Bremen
Als 2017 die neue Förderlinie des Bundesministeriums für
Wirtschaft und Energie (BMWi) „Leittechnologien für KMU“
ausgeschrieben wurde, lagen bereits Ergebnisse der 2013
gestarteten, rein industriefinanzierten Initiative „Massiver
Leichtbau“ vor. Diese hatte ein Einsparpotenzial von 42 kg im
Antriebsstrang eines Mittelklasse-Pkw bei einem Gesamtgewicht
von 840 kg aufgezeigt. Da diese Einsparungen bereits
auf Basis konventioneller Werkstoffe und Technologien identifiziert
werden konnten, lag es nahe, durch einen integralen
Forschungsansatz weitere Gewichtsreduzierungen zu erzielen.
Im Jahr 2015 nahm, gefördert als Thema der „Leittechnologien
für KMU“, der Forschungsverbund „Massiver Leichtbau -
Innovationsnetzwerk für Technologiefortschritt in Bauteil-,
Prozess- und Werkstoff-Design für massivumgeformte Bauteile
der Automobiltechnik“ die Arbeit auf. Orientiert an der Struktur
der Vorhaben der Industriellen Gemeinschaftsforschung,
kooperierten zehn Institute in sechs Teilprojekten, begleitet
von 60 Unternehmen in projektbegleitenden Ausschüssen
vorwettbewerblich. Der Forschungsverbund wurde betreut
von der Forschungsvereinigung Stahlanwendung e. V. (FOSTA),
der Arbeitsgemeinschaft Wärmebehandlung und Werkstofftechnik
e. V. (AWT), der Forschungsgesellschaft Stahlverformung
e. V. (FSV) und der Forschungsvereinigung Antriebstechnik
e. V. (FVA).
An ausgewählten
Demonstratorbauteilen
aus der Industrieinitiative
wurden in folgenden Projekten zahlreiche unterschiedliche
Aspekte des konstruktiven, stofflichen und Fertigungsleichtbaus
beleuchtet.
• Leichtbaustähle höherer Beanspruchbarkeit für Zahnräder
• Intelligenter Leichtbau durch Mehrkomponentenverfahren in
„gebauten Zahnrädern“
• Lokale Bauteileigenschaften durch lokal angepasste Beanspruchbarkeiten
in optimierten Umform- und Zerspanprozessen
• Technologieerweiterung
Massivumformung bei kaltumgeformten
Kolbenbolzen und Wellen
• Leichtbaupotenzial durch Verbundschmieden von hybriden
Radnaben und
• Innovationstransfer und -hemmnisse, technische Potenzialbewertung
und Lebenszyklusanalyse
Insbesondere das letztgenannte Teilprojekt hat eine Klammerfunktion,
da hier die verschiedenen Leichtbaubeiträge
in ihren primären (unmittelbare Gewichtseinsparung) und
sekundären Leichtbaupotenzialen (Gewichtseinsparung in
angrenzenden Stützstrukturen) bewertet und deren Einflüsse
beispielsweise auf das dynamische Fahrverhalten untersucht
wurden. Unternehmensbefragungen und -analysen haben
beleuchtet, warum es im Unterschied zu den bekannten Leichtbaukarosserien
bisher nur wenig Kooperationen entlang der
Wertschöpfungskette
bei massivumgeformten Bauteilen
gegeben hat.
Ein Abschluss-Symposium im Stahlinstitut VDEh in Düsseldorf
im Oktober 2018 präsentierte und erläuterte den interessierten
Unternehmen die Ergebnisse des Forschungsverbunds und
ermunterte sie, mit den erzielten Resultaten weiterzuarbeiten.
Die folgenden Beiträge stellen in einem ersten Teil ausgewählte
Inhalte der einzelnen Teilprojekte vor, weitere Ergebnisse
werden in der nächsten Ausgabe dieser Zeitschrift folgen.
Mit der Forschungsförderung für systemrelevante, breit angelegte
Vorhaben hat die Politik die Weichen gestellt, um die
internationale Wettbewerbsfähigkeit von KMU der jeweiligen
Branche nachhaltig zu stärken. Jetzt ist es an der Industrie, die
vielschichtigen und aussichtsreichen Resultate aufzugreifen
und auf die Ansprechpartner der beteiligten Institute zuzugehen.
Es liegt im Interesse der einzelnen Unternehmen, ihre
Prozesse und Produkte auf den neuesten Stand zu bringen, um
für die anstehenden Herausforderungen gewappnet zu sein.
Dass viele diese Aufgabe verstanden haben, zeigen erste Forschungsprojekte,
in denen die beteiligten Institute die Ergebnisse
des Forschungsverbunds
aufgreifen und vertiefen.
16 massivUMFORMUNG | SEPTEMBER 2019