2023 – die Inflation setzt sich fest
Auch wenn die ab März geltenden Energiepreisbremsen nur von einem Teil der Betriebe nutzbar waren, hellte sich die Stimmung in der Branche doch zu Jahresbeginn zunächst auf. Die Auftragsbücher blieben konstant gut gefüllt und die Marktsituation erlaubte es in der Breite auch die Kostensteigerungen durch Preissteigerungen abzufedern, wie der Erzeugerpreisindex zeigt. Während in anderen Stahl- und Metall-verarbeitenden Branchen schon ab dem zweiten Quartal spürbare Rückgänge der Auftragseingänge zu verzeichnen waren, lief das Geschäft für die Massivumformer zu diesem Zeitpunkt noch überwiegend gut. Lediglich die eher einzelauftragsbezogen disponierenden Freiformschmieden und Ringwalzwerke spürten bereits zu diesem Zeitpunkt nachlassende Bestelleingänge, die aus Kostennachteilen im internationalen Vergleich resultierten.
Im zweiten Halbjahr war dann auch im Teilsegment der Gesenkschmieden ein Einbruch der Auftragseingänge zu spüren. Dies betraf den Abnehmermarkt Maschinenbau sowie Automotive, hier vor allem Teile, die in Baureihen von Elektromobilen gehen sollten. Die Energiekosten, wie auch Vormaterial und andere maßgebliche Aufwandsposten, hatten sich bis dahin auf einem gegenüber 2021 deutlich erhöhten Stand „eingependelt“. Strom und Gas sind seitdem zum ca. 3-fachen Preis des Niveaus vor der Energiekrise zu beziehen. Die hohen, Ende 2022 getroffenen, Tarifabschlüsse in der Metall- und Elektroindustrie belasten die Unternehmen zusätzlich.
Neben den Kostensteigerungen entstand für die überwiegend mittelständischen Betriebe der Massivumformung durch eine Vielzahl an neuen Regulierungen erheblicher administrativer Zusatzaufwand. Mit Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzt, Hinweisgeberschutzgesetz, Energieeffizienzgesetz und NIS2-Richtlinie steigt die Anforderung an Berichterstattung und Aufbau nichtwertschöpfender Kapazitäten signifikant. Diese strukturellen Belastungen führen zu massiven Nachteilen im internationalen Wettbewerb. Das Stichwort „Deindustrialisierung“ bestimmt die Diskussion – Investitionszurückhaltung ist deutlich zu spüren.
Von der Bundesregierung fehlen bisher neben einer klaren Industriestrategie vor allem wirksame Unterstützungsmaßnahmen für die mittelständische energieintensive Industrie, die zu längerfristiger Planungs- und damit Investitionssicherheit führen. Programme wie das Strompreispaket gehen am Bedarf unserer Industrie völlig vorbei.
Gespannter Ausblick auf 2024
Die Prognosen der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute stehen für das nächste Jahr für Deutschland als einzigem europäischen Land auf Rezession. Das IMU-Stimmungsbarometer zeigt daher im vierten Quartal eine eingetrübte Beurteilung der aktuellen Lage und eine deutlich verschlechterte Geschäftserwartung für die kommenden 3 bis 6 Monate (knapp 38 Prozent der Befragten).
Der Ausblick auf 2023 verspricht zwar eine stabilisierte Kostensituation, durch rückläufige Auftragseingänge ist die zukünftige Geschäftsentwicklung aber äußerst unsicher.
Die aktuelle Haushaltskrise lässt befürchten, dass auch bereits erreichte Verbesserungen wie die Verlängerung der Preisbremsen und die Aussetzung der EEG-Umlage rückgängig gemacht werden und sich die Situation nochmals verschärft. Auch die Abschaffung des energiesteuerlichen Spitzenausgleichs oder die nach dem Aussetzen der Anhebung in 2023 nun zu Beginn 2024 sprunghaft um zwei Stufen steigende CO2-Bepreisung sind nicht wirklich geeignet, die Stimmung in der Branche zu heben.
Doch die Notwendigkeit, die Haushaltsmittel nun gezielter einzusetzen und auf wirklich effektive Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie bei der Bewältigung der Transformation von Mobilität und Energiewirtschaft zu fokussieren, birgt auch die Chance, Fehlentwicklungen der letzten Jahre zu korrigieren und die Rahmenbedingungen am Standort Deutschland wieder zu verbessern.
IMU ist Gesicht und Stimme der Branche!
Gerade durch die Zunahme der bürokratischen Belastungen und durch die politischen Unsicherheiten kamen dem Industrieverband Massivumformung auch in 2023 erneut wichtige Aufgaben zur Unterstützung unserer Mitglieder zu:
- Transparente Informationen der Mitglieder über die Entwicklungen, deren Hintergründe und Auswirkungen
- Appelle an Kunden zur gemeinschaftlichen Lösung der Situation in Abkehr von den jahrzehntelang gepflegten restriktiven Kunden-Lieferantenbeziehungen hin zu echten Partnerschaften
- Forderungen an die Politik zur Entlastung der betroffenen Unternehmen und Gewährleistung von wettbewerbsfähigen Rahmenbedingungen im europäischen und weltweiten Vergleich
In unserem monatlichen „IMU-Mittagsforum“ haben wir regelmäßig durch Konjunktur-Updates und Experten-Inputs über die Entwicklungen berichtet und die Betroffenheit der Massivumformer über Kurzumfragen ermittelt. Dem erfolgreichen Format haben sich seit Oktober 2023 auch die Mitglieder des Industrieverbandes Blechumformung angeschlossen, so dass ein noch intensiverer Blick in die relevanten Märkte und ein noch breiterer Austausch möglich ist.
Die Außenkommunikation unseres Verbandes findet zunehmend Verbreitung, so dass beispielsweise unser LinkedIn-Kanal mittlerweile über 1.100 Follower verzeichnet. Unsere Posts erreichen bis zu über 20.000 Leser und helfen, ein öffentliches Bewusstsein über die schwierige Situation der Branche und ihre Notwendigkeiten zu schaffen.
Unser monatlicher Newsletter „massiveNEWS“ bündelt regelmäßig die 5 wichtigsten Nachrichten aus unserem Newsticker „Aktuelles“.
Besonders freuen wir uns im ablaufenden Jahr über einen deutlichen Mitgliederzuwachs. Neben den neuen ordentlichen Mitgliedern BE-Aluschmiede, Brück, GHV-Schmiedetechnik, Hammerwerk Erft, oso-Precision und Schondelmaier haben sich Automatic-Systeme Dreher, Nokra, die Rath-Gruppe und WKB-Systems als assoziierte Mitglieder dem Industrieverband Massivumformung angeschlossen.
Nachdem wir im Jahresverlauf bereits immer wieder politische und behördliche Beschlüsse aus Berlin und Brüssel kritisch kommentiert hatten, wurde im November 2023 unter starker inhaltlicher Beteiligung des Industrieverbands Massivumformung die Gesamtkampagne des Wirtschaftsverbandes Stahl- und Metallverarbeitung „Wir. Formen. Fortschritt“ gelauncht. Unsere Forderungen an die Bundesregierung lauten:
- Energiekosten runter,
- Bürokratie-Abbau jetzt,
- Fachkräftemangel wirksam bekämpfen,
- Infrastruktur auf Vordermann bringen,
- Verhältnismäßigkeit bei Steuern und Abgaben sowie
- Realistische Umweltvorgaben statt Technologieverboten.
Die Unternehmer des Industrieverbands Massivumformung haben vielfältige Möglichkeiten, die Kampagne zu unterstützen.
Weitere politische Aktivitäten betrafen:
- Erreichen der Aufnahme von massivumformspezifischen Zolltarifnummern auf die CBAM-Liste der der Europäischen Union im abschließenden Triol zu Ende 2022. Hierdurch haben wir einen „Fuß in der Tür“, um auch die Aufnahme der weiteren relevanten Produktgruppen zu erreichen.
- Antrag auf Anerkennung als beihilfeberechtigter Sektor im Sinne der Carbon-Leakage-Verordnung – BECV zum 31.12.2022 mit der Perspektive einer deutlichen Entlastung der Gesenkschmieden von den CO2-Abgaben.
- Forderung eines Industriestrompreises von maximal 6 Ct. / kWh als Brückenstrompreis bis zur abgeschlossenen Energiewende und Unterstützung des Aktionsbündnisses „Brückenstrompreis“ bei diversen Aktionen.
- Teilnahme an der Final Week der Erstellung des „Smitheries and Foundries Best Available Techniques Reference Document“, kurz SF-BREF, im Juni 2023 und anschließende Formulierung eines Protestes gegen den Ausschluss von für die europäische Schmiedeindustrie wichtigen Punkten aus der Tagesordnung durch das „Sevilla Büros“ der EU-Kommission. Eine abschließende Klärung der nicht behandelten Themen wird angestrebt.
- Positionierung zur Revision der Industrial Emission Directive IED gegenüber Europäischem Rat und Europäischem Parlament. Dadurch wurde eine Abschwächung der von der Kommission vorgeschlagenen Erweiterung des Geltungsbereichs für Hammer- und Pressenanlagen erreicht.
Nachholbedarf bei Erfahrungsaustausch und Networking
Durch einen Mix aus Präsenz- und Online-Formaten waren wir in 2023 in der Lage wieder eine Vielzahl an hochqualitativen Arbeitskreisen, Kennzahlenvergleichen, Seminaren und Projektgruppen zu organisieren.
Nach der noch zögerlichen Wiederaufnahme persönlicher Treffen in 2022 erlebten wir in 2023 einen deutlichen Zulauf zu unseren Veranstaltungen, insbesondere den unterschiedlichen Arbeitskreisen, in denen wir Rekordbeteiligung verzeichneten.
Der Höhepunkt war das Zusammentreffen auf unserer Jahrestagung der Massivumformung in Dortmund mit der Keynote von Vince Ebert („Lichtblick statt Blackout“), Ehrungen der Nachwuchskräfte der Branche, Forschungsberichten und einem stimmungsvollen Netzwerkabend auf der Zeche Zollern.
Darüber hinaus betreuten wir erneut fast 20 laufende Studien und Forschungsprojekte und konnten knapp 740 TEUR an Fördermitteln für Projekte von IMU und GCFG gewinnen.
Unser Fachmagazin massivUMFORMUNG erreichte in 2023 erneut über 13.000 Leser.
Weitere Highlights unserer verbandlichen Aktivitäten in 2023 waren:
- Entwicklung einer Forschungsroadmap für die Massivumformung und Wiederaufnahme des regelmäßigen Dialogs zwischen Industrie und Wissenschaft.
- Roll-out des im IMU entwickelten Carbon Footprint Calculators „FRED“ auf mittlerweile 10 weitere Branchen. Das Tool ist seit April 2023 DIN 14067 (Product Carbon Footprint) zertifiziert. Die Validierung der DIN 14064-Konformität wird zu Jahresbeginn 2024 abgeschlossen sein.
- Antragstellung des ZIM-Innovationsnetzwerkes EMMA (EMissionsneutrale MAssivumformung“). Mit der Bewilligung wird Anfang 2024 gerechnet.
Das Engagement unserer Mitglieder ist die Basis für unsere verbandlichen Aktivitäten. Fabian Pingel übernahm zur Jahresmitte die Leitung des IMU-Ausschusses F+T von Matthias Henke. Mit Corinne Maag-Stoos, Daniel Adams, Matthias Praus und Thomas Armbruster schlossen sich gleich vier neue Mitglieder dem IMU-Beirat an. In der abschließenden Sitzung des IMU-Vorstandes wurden Thomas Hüttenhein (Vorsitzender) und Matthias Henke (Stellvertreter) für weitere drei Jahre in ihren Ämtern bestätigt.
Im IMU-Team haben wir uns über die Rückkehr von Rike Schnittker, Angela Scheuren und Sabrina Schymainda aus ihren Elternzeiten gefreut. Mit Manuela Brauckmann haben wir zudem eine würdige Nachfolge für die nach über 40 Jahren beim IMU in den Ruhestand gewechselte Sabine Kühnel gefunden. Der Bereich Betriebswirtschaft wird in Kooperation mit der VIA Consult GmbH durch Sören Schröder und Joshua Wagener professionell unterstützt.
Viele unserer Aktivitäten erhalten erst durch die Zusammenarbeit in unserem verbandlichen Netzwerk besondere Schlagkraft. Vor allem die Kommunikationsmaßnahmen gegenüber Politik, Kunden und Öffentlichkeit gemeinsam mit unserem deutschen Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung WSM, der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie ArGeZ, dem Bündnis faire Energiewende sowie unserem europäischen Dachverband EUROFORGE sind hier zu nennen. Im engeren Verbändenetzwerk am Haus der Stahlverformung in Hagen haben wir durch gemeinsame Angebote die Weiterbildungsoptionen und die Austauschmöglichkeiten für unsere Mitglieder deutlich erweitert.
Wir. Formen. Fortschritt.
Unser wichtigstes Ziel als Industrieverband ist der Erhalt und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit unserer Mitglieder!
Dafür bieten wir über unterschiedliche Formate fachlichen Input und Austausch, zukunftsorientierte Projektarbeit, Benchmarkinformationen und branchenspezifische Fortbildungsangebote, juristische Kurzgutachten, Musterformulierungen sowie eine laute Stimme der Branche bei Politik und Kunden.
Letzteres wird im Zuge unserer Kampagne „Wir. Formen. „Fortschritt.“ in 2024 einen besonderen Schwerpunkt darstellen. Hierbei rufen wir alle Mitglieder auf, unsere Aktivitäten nach Kräften zu unterstützen. Durch Weiterleitung unserer Positionen an Ihre eigenen Ansprechpartner in der Politik, Verbreitung unserer Nachrichten in Ihren eigenen Kommunikationskanäle und eigene aktive Ansprache der politischen Entscheidungsträger.
Das Jahr 2024 wird wieder viele Möglichkeiten bieten, sich zu treffen und auszutauschen. Schon jetzt laden wir zu unserer Abendveranstaltung der Jahrestagung der Massivumformung am 4. Juni im Mövenpick-Hotel an der Messe Stuttgart ein. Neben den offiziellen Programmpunkten unserer Mitgliederversammlung wird der Zehnkämpfer Frank Busemann mit einem Keynote-Vortrag den Abend gestalten.
Weitere interessante Branchenveranstaltungen und -präsentationen sind:
- International Forgemaster Meeting IFM vom 27.-30. Mai in Mailand / IT.
- IMU-Stand auf der Messe CastForge am 4.-6. Juni in Stuttgart
- EUROFORGE conFAIR 2024 am 22.-23. Oktober in Mailand / IT.
- Gemeinschaftsstand auf der Internationalen Zulieferbörse IZB am 22.-24. Oktober in Wolfsburg.
Wir bedanken uns zum Jahreswechsel herzlich bei allen in unserem Vorstand und Beirat sowie bei den in unseren Ausschüssen, Arbeitsgremien und Projektgruppen ehrenamtlich tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Mitgliedsunternehmen für ihr großes Engagement und die gute Zusammenarbeit!
Ein besonderer Dank geht auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Industrieverbandes Massivumformung, die kompetent und mit großem Engagement die Vielzahl an verbandlichen Themen organisieren.
Wir wünschen Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest sowie Gesundheit, Glück und viel Erfolg für das kommende Jahr.
Thomas Hüttenhein Matthias Henke Tobias Hain
Vorstandsvorsitzender Stellv. Vorsitzender Geschäftsführer