Umgang mit langfristigen Lieferverpflichtungen bei pandemiebedingten Schwierigkeiten

Das Coronavirus und dessen Folgen haben die Weltwirtschaft weiterhin fest im Griff. Nahezu jedes Unternehmen kämpft mit den Auswirkungen der Pandemien, insbesondere Lieferengpässe und gestiegene Kosten erschweren die Erfüllung (oft langfristig vereinbarter) Lieferverpflichtungen. Gleichzeitig werden die Abrufe der Kunden unsteter und weniger planbar.

Grundprinzipien vertraglicher Bindungen

Ein wichtiger Grundsatz lautet: "pacta sunt servanda" - Verträge sind einzuhalten. Für beide Seiten eines Vertrages, Lieferant wie Kunde. Entwicklungen, die zu Mehrkosten oder gar Verlusten einer Vertragspartei führen, sind nach dem gesetzlichen Leitbild der deutschen Rechtsordnung in der Regel hinzunehmen und oft kein ausreichender Grund für (einseitige) Anpassungen jedweder Art, wozu auch das Unterlassen einer Lieferung auf der einen oder aber die Abnahme von verbindlichen Abrufen auf der anderen Seite zählen. Diese Prinzipien gelten auch für viele ausländische Rechtsordnungen und auch das UN-Kaufrecht ("CISG"), was in grenzüberschreitenden Liefergeschäften durchaus auch eine (übergeordnete) Rolle spielen kann.

Ein weiteres Prinzip spielt derzeit ebenfalls eine wichtige Rolle: vertragliche Vereinbarungen (ob in individuell verhandelten Verträgen oder mittels Standardbedingungen festgehalten) gelten grundsätzlich vorrangig vor dem gesetzlichen Leitbild. Zwar unterfallen auch im b2b Bereich Standardklauseln einer gewissen Wirksamkeitsprüfung (spätestens im gerichtlichen Streitfall), dennoch sollte man auf der Suche nach passenden Regelungen immer "von oben nach unten" suchen und prüfen.

Force Majeure, Unmöglichkeit und Leistungspflichten

In Zeiten unsteter Versorgungslagen, steigender Preise oder nicht bzw. kaum verfügbarer Vormaterialien wird schnell nach Auswegen aus der Liefer- oder der Abnahmeverpflichtung oder aber nach der Anpassung von Preisen gerufen. In Abstimmung mit den jeweiligen Vertragspartnern ist dies immer möglich. Einseitig allerdings eher selten. Ob derartige Möglichkeiten bestehen, richtet sich primär nach den vertraglichen Regelungen. Hier gilt: Man muss sehr genau prüfen, ob und welche Voraussetzungen entsprechender Klauseln erfüllt sind. Bestehen keine vertraglichen Regelungen, wird die gesetzliche Situation relevant. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und Handelsgesetzbuch (HGB) sehen übrigens keine ausdrücklichen Regelungen zu "Force Majeure" oder "Höherer Gewalt" in diesem Kontext vor. Vielmehr werden Themen wie "Unmöglichkeit" im Sinne des § 275 BGB, die "Störung der Geschäftsgrundlage" nach § 313 BGB oder aber die (außer-)ordentliche Kündigung von Verträgen nach § 314 oder den §§ 623, 724 BGB (analog) in Betracht zu ziehen sein. Allerdings muss auf Voraussetzungen und Konsequenzen der jeweiligen Regelungen geachtet werden, bevor man sich darauf aufbauend aus den bestehenden Verpflichtungen zieht. Nochmals: Typische Risiken des Unternehmertums würdigt der Gesetzgeber nicht als ausreichende Grundlage für einseitige Anpassungen bestehender Verpflichtungen.

Besteht eine Beschaffungspflicht des Lieferanten, hat er dieser nachzukommen, unabhängig davon, ob dies einen zusätzlichen finanziellen Aufwand bedeutet - gleiches gilt vice versa für den Kunden, der eine verbindliche Bestellung nicht mehr abnehmen möchte. Alle für den Lieferanten - oder den Kunden - (zumutbaren) Möglichkeiten zur Warenbeschaffung - oder Abnahme- müssen berücksichtigt und umgesetzt werden. Sind Termingeschäfte vereinbart, ist die Nichterfüllende Vertragspartei nach ergebnislosem Verstreichen des jeweiligen Termins mit Ihrem Leistungsteil in Verzug: es drohen Ersatzansprüche für daraus resultierende Schäden.

Untragbare Umstände sind Voraussetzungen

Eine gesetzlich geregelte Befreiung von der Leistungspflicht und damit ein Wegfall der Haftungsgrundlage unterliegt strengen Anforderungen: In Betracht kommen beispielsweise die bereits erwähnten § 275 BGB oder § 313 BGB. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass es in der Regel dann über diese Vehikel nicht weitergeht, wenn die Probleme aus dem Risikobereich des Betroffenen stammen, vorhersehbar waren oder aber eben umgangen werden können.

Der § 313 BGB, der aktuell zumindest in Schriftwechsel eine Hochkonjunktur erfährt, sieht vor, dass es zu einer Situation kommt, die mit "einem untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden und damit der betroffenen Partei nicht zumutbaren Ergebnis" einhergehen würde (so der BGH), um zum Anspruch auf Vertragsanpassung oder Beendigung zu kommen.

Im Hinblick auf Lieferketten, Preisentwicklungen und Verfügbarkeiten auf der einen Seite sowie Abnahmeverpflichtungen auf der anderen wird man vom jeweiligen Geschäftspartner erwarten können, dass er gemäß entsprechender (Wissens-)Lage sein Supply-Chain-Management entsprechend auf- und umsetzt, mithin also zumutbare Anstrengungen unternimmt, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Kunde hingegen muss sicherstellen, abnahmefähig zu sein. Wenn hierbei Kosten entstehen, die nicht geplant waren, ist das ärgerlich, aber kein Grund für eine Versagung der Leistung.

Dokumentation und klare Kommunikation

Abschließend kann man noch eines mit auf den Weg gehen: man tut stets gut daran, die entsprechenden Maßnahmen zu dokumentieren und den Gegenüber immer unmissverständlich und nachweisbar auf die Erfüllung seiner Verpflichtungen hinzuweisen und aufzufordern. Andernfalls wird der Nachweis im Streitfall sehr schwer.

Autor: Daniel Wuhrmann, reuschlaw Legal Consultants