Hintergrund und Status Quo
Die EU-Richtlinie über Industrieemissionen (IED) ist grundlegend neu gefasst worden und muss bis zum 1. Juli 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden. Das BMUV hat am 28.11.2024 den Referentenentwurf für ein Artikelgesetz und den Referentenentwurf für eine Mantelverordnung zur IED-Umsetzung vorgelegt.
Mit dem Artikelgesetz sollen Änderungen im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) (Art.1) , im Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) (Art. 2) , dem Bundesberggesetz (BberG) (Art. 3) und dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG)(Art. 4) erfolgen. Zur Umsetzung der IED sind allerdings noch erhebliche Änderungen im Wasserrecht erforderlich. Diese fehlen bisher im Gesetzespaket und sollen zeitnah vom betreffenden Bundesministerium vorgelegt werden.
WSM-Stellungnahme
In seinem Papier formuliert der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung WSM Vorschläge für die Umsetzung der Richtlinie über Industrieemissionen in dem Artikelgesetz in Bezug auf das für uns relevante Bundesimmissionsschutzgesetz (BimSchG):
„Die Änderungen der IED bedeuten einen erheblichen finanziellen Mehraufwand und zusätzliche Bürokratie für die Betreiber von Industrieanlagen. Zusätzliche Kosten durch eine über die IED-Anforderungen überschießende Regulierung können eine Ursache von mehreren darstellen, die dazu führen, dass Unternehmen in ihren Investitionsentscheidungen in andere Länder, speziell non-EU Länder, abwandern (so genannte „Best Cost-Countries“). Dort herrschen oftmals wesentlich geringere Umweltschutzstandards vor, wodurch die Ziele und Erwägungsgründe der IED verfehlt würden (u.a. Verbesserung der Umweltleistung und einen tiefgreifenden industriellen Wandel IED-Anlagen).
Zusätzlich und vor dem Hintergrund aktueller Erklärungen des EU-Rates („Budapester-Erklärung“ 8.11.2024) und Initiativen der Bundesregierung („Wachstumsinitiative“, 5. Juli 2024) zur Hebung von Beschleunigungspotentialen, zur Einhegung von Bürokratie, Vermeidung von überschießender Umsetzung von EU-Recht in nationaler Umsetzung und der Mission, die Berichtspflichten um 25 % zu reduzieren fordert der WSM eine Anpassung des Referentenentwurfs für ein Artikelgesetz.
Der Entwurf geht in vielen Teilen über eine 1:1-Umsetzung der IED-Richtlinie hinaus, aus Sicht des WSM bedarf der Entwurf daher einer deutlichen Überarbeitung.
Die wichtigsten Forderungen des WSM zum Entwurf einer Mantelverordnung sind:
1. Kein Goldplating, sondern 1:1 Umsetzung der IED-Anforderungen (§ 1 Abs. 2 BimSchG)
Bei der Umsetzung der IED in deutsches Recht sollte alles dafür getan werden, die Umsetzung möglichst schlank (1:1-Umsetzung) und unbürokratisch vorzunehmen. Bei der Umsetzung müssen alle europarecht-lich möglichen Spielräume genutzt werden, um die Genehmigungsverfahren in Deutschland nicht noch wie-ter zu verlangsamen, sondern zu beschleunigen. Zum Beispiel sollte der Zweck des BimSchG in § 1 nicht für alle genehmigungsbedürftigen Anlagen, sondern nur für IED-Anlagen erweitert werden.
2. Umweltvergleichswerte (UVW) und Umweltleistungsrichtwerte (ULRW) nicht in das Umweltmanagementsystem (UMS) aufnehmen (§ 3 Abs. 6h und 6i BimSchG)
Die Definitionen der beiden Werte sollte vereinfacht und mit einschlägigen Kennzahlen (z.B. aus der ISO 14001 Norm Ziele & Leistungskennwerte) synchronisiert werden. Wir sprechen und dagegen aus, dass Umweltvergleichswerte und Umweltleistungsrichtwerte in das Umweltmanagementsystem aufgenommen werden. Die für die Betreiber so entscheidende Rechtssicherheit entsteht nur, wenn die Behörden Umwelt-leistungswerte in der Genehmigung festlegen.
3. Neue Betreiberpflichten auf IED-Anlagen beschränken (§ 5 Abs. 1 BimSchG)
Die neu eingefügten Betreiberpflichten in § 5 sollten auf IED-Anlagen beschränkt bleiben, eine Ausweitung auch auf nicht-IED-Anlagen schießt über das 1:1 Umsetzungsgebot hinaus (z. B. Zweckbestimmung des BimSchG, Betreiberpflichten). Wir schlagen daher vor, in § 5 neuen Abs. 1a einzufügen (Grundpflichten für IED-Anlagen).
4. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beim UMS einführen (§ 5 Abs. 1 BimSchG)
Bei der Aufstellung und dem Betrieb des Umweltmanagementsystems muss der Grad der Detailgenauigkeit des UMS angemessen und verhältnismäßig zur Art, dem Umfang und der Komplexität der Anlage sein. Eine entsprechende Ergänzung sollte im § 5 BimSchG realisiert werden.
5. Keine unmittelbare Anwendung von BVT-Schlussfolgerungen
Wir sprechen uns dafür aus, dass eine eindeutige gesetzliche Regelung geschaffen wird, dass die Umsetzung von BVT-Schlussfolgerungen in deutsches Recht innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der BVT erfolgen muss. Zudem muss eine weitere mindestens dreijährige Übergangsfrist vorgesehen wer-den, bis die Betreiber die BVT-Vorgaben einhalten müssen, falls eine Umsetzung in deutsches Recht innerhalb eines Jahres nicht gelingt.
Eine unmittelbare Anwendung von BVT-Schlussfolgerungen nach Ablauf der 4-Jahres-Frist muss explizit ausgeschlossen werden.
6. Der Erörterungstermin sollte fakultativ ausgestaltet werden (§ 10 Abs. 6 BimSchG)
Zwecks Verfahrensbeschleunigung sollte der zurzeit obligatorische Erörterungstermin fakultativ ausgestaltet werden (d.h. findet nicht statt, wenn z.B. keine, oder nicht erörterungsbedürftige Einwendungen erhoben worden sind). Eine europarechtliche Verpflichtung besteht dazu nicht, so dass hier die Nutzung zur Verfahrensbeschleunigung geboten und auszuschöpfen ist. Ein Erörterungstermin sollte bei allen Verfahren zukünftig nur auf Wunsch des Vorhabenträgers (bzw. Antragstellers pp.) realisiert werden, er trägt zu-dem das Risiko möglicher Verzögerungen bei Klagen. Die Erfahrung zeigt zudem einen geringen Informationsgewinn derartiger Termine, eine parallel rein digitale Pflicht zur Auslegung der Unterlagen wäre sinn-stiftender.
7. Stichtagsregelung einführen (§ 10 Abs. 6a BimSchG)
Zur Verfahrensbeschleunigung sollte eine Stichtagsregelung eingefügt werden. Die Pflicht zur „dynamischen Nachführung“ der Antragsunterlagen bis zur Erteilung des Bescheides ist unverhältnismäßig. Eine Stichtagsregelung könnte auf den Zeitpunkt der Erklärung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen gelegt werden und damit das zeitaufwendige Nachreichen von Unterlagen aufgrund von Rechtsänderungen verzichtet werden. Eine enorme Verfahrensbeschleunigung würde mit dieser klassischen Methode des Projektmanagements erreicht werden. Die Beschleunigungs-Novelle des BimSchG hat diesen wichtigen Punkt nicht für alle Anlagen aufgegriffen.
8. Kein Regelfall, Nebenbestimmungen von Genehmigungen zu konsolidieren (§ 10 abs. 8a BimSchG)
Es darf nicht zum Regelfall erklärt werden, dass bei der Internet-Veröffentlichung von Genehmigungsbescheiden die Nebenbestimmungen zur Genehmigung in einer konsolidierten Fassung beizufügen sind. Der Vorschlag ist nicht praxistauglich, europarechtlich nicht erforderlich und führt zu erheblichem bürokratischem Aufwand bei den Genehmigungsbehörden und den Betreibern.
9. Keine unmittelbare Anwendung von Umweltleistungswerten (§ 12, § 17 BimSchG)
Die neue Forderung, dass die zuständigen Behörden im ersten Jahr nach der Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen, die Einhaltung der Umweltleistungswerte bei der Erteilung der Genehmigung sicher-zustellen hat. Diese Regelung steht im Widerspruch zur IED, wonach erst innerhalb von vier Jahren die Anforderungen aus den BVT einzuhalten sind.
10. Emissionserklärung ersatzlos streichen (§ 27 BimSchG)
Der § 27 BimSchG und die entsprechende Verordnung über Emissionserklärungen (11.BimSchV) sollte aus Gründen der Reduktion der Berichtspflichten gestrichen werden. Die VO zur Berichterstattung von Umweltdaten (EU 2024/1244) und des Industrieemissionsportals regelt die Erhebung und Meldung in ausreichendem Maß. Zudem wird auf Unionsebene ein Industrieemissionsportal eingerichtet, das der Öffentlichkeit den Zugang zu diesen Daten ermöglicht. Bei Beibehaltung der 11. BimSchV würden Doppel-reglungen und zusätzliche, nun aber entbehrliche Berichtspflichten bestehen bleiben.
11. Veröffentlichung von Ergebnissen der Emissionsüberwachung klarer stellen (§ 31 Abs. 5 BimSchG)
Die Anforderungen an die Veröffentlichung von Ergebnissen der Emissionsüberwachung muss erheblich klarer formuliert, entbürokratisiert und vor allen Dingen in Übereinstimmung mit der IED ausgestaltet wer-den. Die Regelung in § 31 BimSchG muss auf das europarechtlich geforderte Mindestmaß zurückgeführt werden. Für die Information der breiten Öffentlichkeit über das Internet reicht es aus, wenn das Ergebnis der Überwachung, in einer aggregierten Form, nicht aber alle technischen Rahmenbedingungen der einzelnen Messungen (also keine Messberichte, sondern lediglich das Ergebnis in Form von z.B. eingehalten/nicht eingehalten) veröffentlicht werden. Eine entsprechende Klarstellung der Regelung ist wichtig, weil die Regelung ansonsten erhebliche Zweifelsfragen aufwirft, da nicht klar ist, welche Daten in welchem Umfang eigentlich im Internet veröffentlicht werden sollen und wie diese geschützt werden.
Auf eine klare, pragmatische und entsprechend der IED geforderten Anforderung zur Veröffentlichung des Gesamtendergebnisses muss geachtet werden, der § 31 muss entsprechend erheblich geändert und klarer formuliert werden.
12. Verschärfung der Bußgeldvorschriften streichen (§ 62 Abs. 5 BimSchG)
Der Entwurf für einen § 62 Abs. 5 (neu) BimSchG sollte wieder gestrichen werden. Diese Verschärfung ist europarechtlich aus der IED-Richtlinie nicht ableitbar und daher nicht geboten. Er geht daher erheblich über eine 1:1-Umsetzung hinaus. Das bestehende deutsche Sanktionsrecht im Umweltstrafrecht (UmwStrR) und im Ordnungswidrigkeitenrecht (OWIG) ist ausreichend, um die von der IED geforderte Abschreckungswirkung zu erzielen. Dabei verfügt das deutsche Recht über ausreichende und sehr einschneidende finanzielle Sanktionsmechanismen im Hinblick auf natürliche Personen wie auch für juristische Personen.
13. Übergangsvorschriften erweitern (§ 67 Abs. 10 BimSchG)
§ 67 Abs. 10 (neu) BimSchG sollte vollständigkeitshalber erweitert werden. BVT-Schlussfolgerungen, die bis zu Inkrafttreten der neuen IED (bis zum 1. Juli 2026) verabschiedet wurden (bzw. noch werden), gilt zum Beispiel bzgl. der Festsetzung von Emissionsgrenzwerten das bisherige Recht. Dies soll § 67 Abs. 10 BimSchG neu zum Ausdruck bringen. Die Verweise in § 67 Abs. 10 auf das bestehende Recht sind jedoch nicht vollständig und sollten entsprechend ergänzt werden.“
IMU-Stellungnahme
Die IMU-Stellungnahme greift insbesondere die fehlerhafte Definition des (neuen) Geltungsbereichs der IED für Unternehmen der Massivumformung und die entsprechende Berücksichtigung in der 4. BImSchV auf:
„Nummer 3.11 und 3.12 des Anhangs 1 der 4. BImSchV sollten mit der IED-Richtlinie (2.3 Verarbeitung von Eisenmetallen) vollständig synchronisiert werden und der richtige physikalische Begriff „Presskraft“ statt „Leistung“ verwendet werden.
- Zum einen sollten – entsprechend der IED – nur Schmieden mit Hämmern, deren Schlagenergie 50 Kilojoule pro Hammer überschreitet, als IED-Anlage in der 4. BImSchV eingeordnet werden.
Der Entwurf der 4. BImSchV ordnet dagegen Pressen, die genau 50 kJ Schlagenergie aufweisen, als IED-Anlagen ein. Dies ist keine 1:1-Umsetzung der IED. Diese Umsetzung würde zu einer Ungleichbehandlung gegenüber europäischen Wettbewerbern führen und wäre ein „Goldplating“ in der deutschen Gesetzgebung. Dies betrifft nach Recherche bei den relevanten Maschinenanbietern mindestens 15 deutsche Unternehmen mit mindestens 21 Anlagen, deren Hammeranlagen genau 50 kJ Schlagenergie aufweisen.
Entsprechend sollte in 3.11. wie folgt formuliert werden:
„3.11.1: Schmieden mit Hämmern, deren Schlagenergie 50 Kilojoule pro Hammer
überschreitet
3.11.2: 1 Kilojoule bis 50 Kilojoule beträgt.“
- Zudem sollte in Nummer 3.12 die verwendete Einheit korrigiert werden.
Die im deutschen Text (EU und deutscher Umsetzungsentwurf) für die Einordnung der Pressen (hier ist die Presskraft üblich) verwendete Einheit ist falsch aus dem Englischen übersetzt und macht physikalisch keinen Sinn:
Der EU-Originaltext spricht von „force“, also korrekterweise von Kraft: Nr. 2.3 (ba) “operation of smitheries with forging presses the force of which exceeds 30 mega-newton (MN) per press”.
Die deutsche Übersetzung der europäischen Richtlinie und der Referentenentwurf des BMUV spricht fälschlicherweise von Leistung (Leistung = Kraft x Geschwindigkeit): 2.3 „Schmieden mit Schmiedepressen, deren Leistung 30 Meganewton (MN) je Presse überschreitet“.
Nr. 3.12. des Anhangs 1 der 4. BImSchV sollte daher wie folgt formuliert werden:
„3.12: Schmieden mit Schmiedepressen, deren Leistung deren Presskraft 30
Meganewton (MN) je Presse überschreitet“.“
In Zusammenarbeit mit dem zuständigen Referat im BDI wird der weitere Verlauf der Umsetzung eng beobachtet. Insbesondere die noch ausstehenden Umsetzungsmaßnahmen in weiteren nationalen Gesetzen sowie die Umsetzung der Anforderungen der SF BREF („Smitheries and Foundries Best available REFerence paper“) werden weitere Einlassungen der Industrieverbände erfordern.
Ansprechpartner: Tobias Hain, hain@massivumformung.de