UNSICHERE MÄRKTE FÜR DIE DEUTSCHE SCHMIEDEINDUSTRIE
Die wichtigsten Märkte für Freiformschmiede- und Ringwalzunternehmen haben sich 2023 unterschiedlich entwickelt. Der größte Markt, der Maschinenbau, verlor 12% an Auftragseingang gegenüber 2022. Der Rückgang betraf sowohl das Inland als auch die Exportmärkte. Aufgrund von Auftragsbeständen sank das reale Produktionsvolumen nur um minus 1%. Für 2024 liegt die Volumenprognose für den deutschen Maschinenbau bei minus 4%.
Der Bereich Luft- und Raumfahrt zeigt eine positive Entwicklung bei den Auftragseingängen 2023 und beim Produktionsvolumen. Bei Dampf-, Wasser-, Gas- und Windkraftanlagen sank das Produktionsvolumen um 3%, während der durchschnittliche Auftragseingang (Volumen) um 9% stieg. Dies könnte einen Wendepunkt für 2024 markieren.
KOSTEN STABILISIEREN SICH AUF HÖHEREM NIVEAU
Die Stahlpreise haben den Höchststand von Q2.2022 überwunden und sich bei etwa 150% von 2019 eingependelt. Im Jahr 2023 sanken sie durchschnittlich um 1% (unlegiert) und 5% (legiert). Für 2024 wird mit einem weiteren leichten Preisrückgang gerechnet.
Die Energiepreise haben sich im Vergleich zu Anfang 2021 verdoppelt (Strom) und fast verdreifacht (Gas). Zusätzlich werden in Deutschland steigende Abgaben und CO2-Steuern auf Energie erhoben, was dazu führt, dass die Energiekosten zu den höchsten der Welt gehören.
UMSATZSTEIGERUNG, ABER RÜCKGANG DER TONNAGE
Im Jahr 2023 ist das Produktionsvolumen in den Bereichen Freiformschmieden und Ringwalzen im Vergleich zu 2022 deutlich gesunken. In den ersten drei Quartalen betrug der Rückgang minus 10%. Gleichzeitig stieg der Produktionswert aufgrund von Inflationseffekten um 9%.
Ein tieferer Blick in die verschiedenen Teilsektoren zeigt unterschiedliche Entwicklungen (Tabelle 1):
German Production Output Q1-3.2023 – Open Die Forging / Ring Rolling by subsectors [Statistisches Bundesamt]
Im gleichen Zusammenhang ist die Kapazitätsauslastung seit Anfang 2023 von 86% auf 78% Anfang 2024 gesunken. Zusätzlich hat sich der Auftragsbestand auf ein Niveau von unter 2 Monaten Vorlaufzeit reduziert.
ZUKÜNFTIGE TRENDS IN DER DEUTSCHEN FREIFORMSCHMIEDE- UND RINGWALZBRANCHE
Klimaneutrale Produktion
Der europäische Green Deal und die spezifische deutsche Gesetzgebung sowie die Besteuerung führen die deutschen Freiformschmiede und Ringwalzwerke zu einer klimaneutralen Produktion bis zum Jahr 2045. Zusätzlich fordern die Kunden zunehmend Informationen über den CO2-Fußabdruck auf Produkt- oder Unternehmensebene. Viel Forschung und finanzielle Mittel fließen derzeit in die grüne Transformation der Werke. Hauptaspekte sind dabei die Elektrifizierung von gasbetriebenen Prozessen, die Nutzung von erneuerbarem Strom oder der Austausch von Erdgas gegen H2. Material- und Energieeffizienz sowie der Einsatz von „grünem Stahl“ sind weitere Themen, die zu berücksichtigen sind.
Im Industrieverband Massivumformung (IMU) haben wir den Carbon Footprint Calculator „FRED“ entwickelt, der hilft, die CO2-Belastung auf Unternehmens- oder Produktebene zu bewerten und Entwicklungsideen durch einfache Simulation von Produkt- oder Prozessänderungen zu unterstützen - alles in Übereinstimmung mit ISO 14067 (PCF) und 14064-1 (CCF). IMU betreibt auch eine große Forschungsinitiative mit dem Ziel, Lösungen für die Dekarbonisierung der Industrie zu finden („EMMA“).
Dezentralisierte erneuerbare Energie
Ein Ansatz, um Energiekosten zu sparen und den Zugang zu erneuerbaren Energiequellen zu sichern, sind Investitionen in Solarzellen, Windkraftanlagen (ppa), Biomasseanlagen oder Wasserstoff-Elektrolyseure. Viele deutsche Schmieden arbeiten an solchen dezentralen Energieversorgungskonzepten. Dies muss behördlich begleitet werden, um schnelle Genehmigungen und akzeptable Netzentgelte zu erhalten. Öffentliche Fördermittel sind notwendig, um wirtschaftlich tragfähige Lösungen zu erreichen.
Innovation ist der Schlüssel
Die Transformation mit all ihren Aspekten und die Kostensituation setzen die Unternehmen unter Innovationsdruck in allen Bereichen: Materialwissenschaft, Prozessautomatisierung und Digitalisierung, Energie- und Materialeffizienz und thermisches Prozessmanagement. Eine starke wissenschaftliche Gemeinschaft in Deutschland und der Verband unterstützen die Branche in ihrer stetigen Entwicklung mit vielen Projekten, Informationen und der Möglichkeit zum Wissens- und Erfahrungsaustausch.
Die Situation der deutschen Freiformschmiede- und Ringwalzindustrie ist derzeit angespannt. Dennoch ist die globale Positionierung der deutschen Industrie als zuverlässiger Qualitätsanbieter gesichert. Nachhaltigkeit und technische Innovation weisen den Weg zum zukünftigen Erfolg.
Ansprechpartner: Tobias Hain, hain@massivumformung.de