Viele unserer Mitglieder erleben momentan, dass die gestiegenen Vormaterialpreise, die Auftragsverschiebungen oder -stornierungen und die explodierenden Energiekosten zu deutlich defizitären Auftragskalkulationen führen und dadurch die Liquidität sehr stark belastet wird. Was empfehlen Sie Ihren Mandanten in einer solchen Situation?
Wichtig ist in der momentan prekären Situation, schnell und mit deutlichem Nachdruck einen partnerschaftlichen Problemlösungsbeitrag vom Kunden einzufordern. Dabei sollte man sich keineswegs vom zuständigen Einkäufer ins Wartezimmer bugsieren lassen, sondern zügig direkten Kontakt mit den Entscheidern beim Kunden aufnehmen.
Den OEM und Tier1 ist völlig bewusst, dass ihre Lieferanten zu horrend gestiegenen Preisen Material beschaffen mussten, dann bei erheblich gestiegenen Energiekosten ihre geschätzte Wertschöpfung dazu gepackt haben - um dann am Ende die bestellten Fertigwaren nicht zum vereinbarten Termin abgenommen zu bekommen. Dass solchermaßen gebeutelte Lieferanten zügig in erhebliche Schwierigkeiten taumeln werden, das ist ja kinderleicht nachvollziehbar. Da müssen sie jetzt schon einspringen und ihren Lieferanten helfen.
Töpfe für die finanzielle Unterstützung notleidender Lieferanten sind bei den großen Playern selbstverständlich längst eingerichtet, davon können sie ausgehen. Aber wie das so ist mit gedeckelten Töpfen – wenn sie erstmal leer sind, dann bleiben die, die zu spät zu Tisch gekommen sind, hungrig. Das kann dann sehr schnell existenzbedrohende Zustände annehmen.
Hilfreich kann da schon sein, wenn sich Lieferant und Kunde darauf einigen können, dass bestellte Waren zum vereinbarten Liefertermin bezahlt werden - auch wenn sie noch eine Weile in der Obhut des Lieferanten verbleiben und dort Lagerflächen belegen. Hauptsache ist, dass beim Lieferanten der CashFlow nicht überstrapaziert wird.
Wie lässt sich die Verhandlungsposition der Zulieferer in der aktuellen Situation stärken und welche Verhandlungsansätze funktionieren aus Ihrer Erfahrung am besten?
Erstmal muss sich der Lieferant seine eigene Verhandlungsposition sorgfältig und schonungslos klar machen. Bin ich strategischer Lieferant, vielleicht sogar mit Alleinstellungsmerkmalen oder bin ich im Ernstfall schnell austauschbar. Welche Alternativen hat denn mein Kunde, wenn ich wegbreche.
Hier kommen aber auch schon die Verbände ins Spiel. Die können und sollen hier vor allem auch Öffentlichkeit herstellen. Ich glaube nämlich, der breiten Öffentlichkeit ist heute immer noch nicht bewusst, dass inzwischen viele Zulieferer mit dem Rücken an die Wand bzw. kurz vor den Abgrund gedrängt wurden. Da werden von den OEM – denen es nach Pressemeldungen momentan ja blendend geht - bei ihren Zulieferern Arbeitsplätze in erheblichem Umfang aufs Spiel gesetzt. Das darf man heute schon mal laut und deutlich sagen.
Übrigens: Wir alle erinnern uns, dass die OEM und Tier1 schon seit den guten Lopez-Zeiten Ihre Lieferanten regelmäßig auffordern, doch ihre Kostensituation zu verbessern und mit Preisreduzierungen einen „partnerschaftlichen Beitrag“ zum Erfolg der OEM zu leisten. Darf man da heute angesichts der explosionsartigen Preisentwicklung bei Material und Energie nicht erwarten, dass sich jetzt mal umgekehrt die Kunden im Sinne eines PainSharing an den Kostensteigerungen beteiligen? Ich meine schon. Man muss es den OEM/Tier1 aber unbedingt sauber vorrechnen, die Forderungen klar beziffern und – ich wiederhole mich: rasch die dortigen Entscheider an den Tisch holen.
Wie sollten Forderungen der Zulieferer unterlegt sein, um bestmöglich Gehör zu finden?
Hier werden ja immer noch katastrophale Fehler gemacht. Viel zu lange glaubt man an das Gute im Kunden und stolpert gerüstet mit nur mit zwei drei, die Gesamtwetterlage pauschal darstellenden Zeitungsartikeln und sehr viel Heldenmut in existentielle Verhandlungen mit den am langen Hebel sitzenden Kunden. Eigentlich völlig klar, dass so nicht viel erreicht werden kann – und trotzdem wird es oft immer noch so oder so ähnlich praktiziert.
Im Klartext: Ohne penible Vorbereitung der Gespräche und Verhandlungen geht hier gar nichts. Der Lieferant muss sehr detailliert vorrechnen, bei welchen Artikeln und in welchem Umfang er jetzt Preisanpassungen oder Sonderausgleichszahlungen für die explodierenden Kosten benötigt.
Selbstgestrickte Rechenmodelle in Excel sind hier nach unserer Erfahrung eher weniger geeignet, Akzeptanz beim Gegenüber zu erreichen. Mit einem von den OEM anerkannten Kalkulationssystem - wie unserem poseidon® COSTING SYSTEM - geht das natürlich viel einfacher, schneller und vor allem im Ergebnis erfolgreicher.
Mit dieser - wie wir das nennen - offensiven Kostentransparenz haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Im ersten Schritt werden dabei die außergewöhnlichen Kostenbelastungen mit einigen repräsentativen Produktpreiskalkulationen aufgezeigt. Nachdem hier Einigung erzielt wurde, wird dann im zweiten Schritt von diesen Kalkulationsergebnissen aus auf das Gesamtportfolio hochgerechnet. So werden die Forderungen belastbar begründet. Dann wird verhandelt. Gerne helfen wir dabei.
Am Ende ist diese Krise nur partnerschaftlich zu meistern. Das heißt, nicht nur die Unternehmen der Zulieferkette, sondern auch die OEM / Tier1 müssen im Sinne eines PainSharing ihren finanziellen Beitrag leisten. Dass die OEM in jüngster Zeit Rekordgewinne melden konnten zeigt deutlich, dass sie dazu auch in der Lage sind. Das macht Mut und Hoffnung.
NORBERT HEINZ CONSULTING GmbH & Co. KG
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