Die deutsche Industrie und insbesondere energieintensiven Branchen wie die Massivumformung stehen derzeit stark unter Handlungsdruck. Der wesentliche Grund dafür sind die in den vergangenen Monaten sprunghaft gestiegenen Energiekosten, die eine kostendeckende Produktion für viele Unternehmen deutlich erschweren. Die Entwicklung hat in vielen Fällen sogar dramatische Züge angenommen, denn die hohen Energiekosten stellen im schlimmsten Fall Geschäftsmodelle in Frage und gefährden den Fortbestand von Unternehmen. Die Industrie ist also gut beraten, möglichst kurzfristig zu reagieren und sich gegen weiter steigende Preise abzusichern. Dabei gilt es, das große Ganze im Blick zu behalten und nicht in Einzelmaßnahmen, sondern in einer Gesamtstrategie zu denken.
Solch eine umfassende Strategie besitzt sogar noch eine weitere Dimension. Denn bei optimaler Ausgestaltung können sich die Unternehmen zugleich auf die verschärften Ziele des deutschen Klimaschutzgesetzes ausrichten und somit auch dort zukunftssicher aufstellen. Zur Erinnerung: Das Gesetz schreibt vor, die CO2-Emissionen bis zum Ende des laufenden Jahrzehnts um mindestens 65 Prozent zu reduzieren. Bis zum Jahr 2040 besteht das Minderungsziel vom mindestens 88 Prozent. Und im Jahr 2045 soll Deutschland klimaneutral aufgestellt sein. Umsetzten müssen dies auch die Unternehmen. Wer damit zu lange zögert, dem drohen auch hier unnötige Kosten und zugleich Reputationsrisiken.
Die umfassende Energieversorgungsstrategie
Die Herausforderung an die Unternehmen lässt sich wie folgt zusammenfassen: Klimaneutral werden, nachhaltig agieren und kosteneffizient wirtschaften. Zum Glück stehen dafür bereits bewährte Bausteine zur Verfügung, die bei ihrem optimalen Einsatz im Rahmen einer Gesamtstrategie sowohl in der aktuellen Situation als auch mit Blick auf die Zukunft nachhaltig Wirkung erzielen können. Um die wesentlichen Maßnahmen kurz zu skizzieren:
- Beschaffungsstrategie: Grundsätzlich gilt es, mit Hilfe einer Ausschreibung den optimalen Strom- oder Erdgaspreis zu erhalten. Dazu können Festpreise, Tranchenmodelle oder die Beschaffung über den Spotmarkt gehören. Wichtig ist, dass die gewählten Maßnahmen individuell auf die Bedürfnisstruktur des Unternehmens ausgerichtet sind und mit Blick auf die mögliche weitere Entwicklung des Strompreises gesteuert werden. Während Festpreise gut für die Budgetsicherheit sind und Spotpreise eine Chance auf zukünftig sinkende Preise auf der Habenseite ausweisen, entscheiden sich heute die meisten energieintensiven Betriebe für eine risikominimierte Tranchenbeschaffung, mit welcher der Gesamtbedarf in mehreren Schritten zu unterschiedlichen Zeitpunkten preislich festgelegt wird. Natürlich sind auch Zwischenformen ermöglicht. So lässt sich beispielsweise in ein Tranchenmodell eine spotmarktgestützte Preisfindung anteilig einbauen.
- Power Purchase Agreements: Unternehmen sichern sich mit solchen PPA-Verträgen zum Beispiel die Stromerzeugungsleistung von Windkraftanlagen, die nach 20 Jahren das Ende der EEG-Förderung erreicht haben, oder aus einem Pool von Anlagen zur erneuerbaren Energieerzeugung. Die Verträge sind sowohl für Anlagenbetreiber wie für Unternehmen mit hohem Energiebedarf eine interessante Lösung.
- Eigenerzeugung: Die Eigenerzeugung mit Photovoltaik, Blockkraftheizwerken (BHKW) und Windenergie gewinnt angesichts steigender Energiepreise und Klimavorgaben nochmals an Attraktivität. Statt zum Beispiel vom Strommarkt abhängig zu sein, wird ein Teil des Strombedarfs auf eigene Rechnung hergestellt. Bei regenerativen Produktionsarten fällt damit das Energiepreisrisiko komplett weg – und sichert Unternehmen auch gegen steigende Preise für CO2-Zertifikate ab.
Kleine Maßnahmen, große Wirkung
Über die skizzierten Themen hinaus sollten Unternehmen bei Neu- und Ersatzinvestitionen im Rahmen einer umfassenden Energieversorgungsstrategie stets auch Maßnahmen zur langfristigen Reduzierung des Strom- und Erdgasbedarfs mitdenken und umsetzen. Selbst kleine Maßnahmen addieren sich letztlich auf und können eine wesentliche Wirkung für das gesamte Unternehmen erzielen. Je mehr Emissionen ein Unternehmen vermeidet oder reduziert, desto weniger Kompensationszertifikate muss es künftig einkaufen, zumal die Preisentwicklung dort besonders schwer planbar ist. Getreu dem Motto: Wo möglich vermeiden und reduzieren, nur wo nötig kompensieren.
Autor: Haussmann Strategic Advisory
Preisentwicklung Strom, Erdgas, Kohle, CO2 seit 2019
Jörg Scheyhing, Haussmann Strategic Advisory