„Bei den 9.000 mittelständischen deutschen Automobilzulieferunternehmen herrscht Alarmstimmung“, sagte Christian Vietmeyer, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie (ArGeZ) am Mittwoch in Düsseldorf. „Kurz vor Jahresschluss warten viele von ihnen auf eine überlebenswichtige Einigung mit den Automobilherstellern. Es geht um eine gerechte Verteilung unerwarteter Sonderbelastungen aus Rohstoffpreissteigerungen, verzögerten Teileabrufen oder gar Stornierungen, aus gestörten globalen Lieferketten und massiven Logistik-Kostensteigerungen.“
Alles Probleme, die ihren Ursprung im Jahr 2021 hatten. Während VW, Daimler, BMW und die anderen Autobauer seitdem sehr positive Ergebnisentwicklungen meldeten, kämpften viele ihrer Zulieferer ums Überleben, so Vietmeyer. „Ein Entgegenkommen der OEMs gegenüber den gebeutelten Zulieferern? Fehlanzeige! Jetzt hat sich die Situation durch den Russland-Ukraine-Krieg und die Energiepreiskrise nochmals verschärft. Über diese Effekte wird noch nicht einmal verhandelt.“ Die Arbeitsplätze der deutschen Automobil-Zulieferer seien wichtig für die soziale Stabilität des Landes. Zulieferer am Standort zu halten, sei zum Erhalt der Technikkompetenz und Zukunftsfähigkeit Deutschlands essenziell.
7-Punkte-Plan für die OEMs und Tech-Konzerne
Die Verbände der deutschen Automobil-Zulieferindustrie sendeten daher folgenden Appell an die deutschen OEMs sowie an die global aufgestellten Tech-Konzerne:
- Die deutschen Zulieferer sind systemrelevanter Teil der deutschen Automobilindustrie. Sie beschäftigen eine Million Menschen und bilden das Rückgrat für ein gesichertes Einkommen ebenso vieler Privathaushalte. Ein fairer Lastenausgleich der Hersteller mit ihren Zulieferern ist jetzt entscheidend für den Erhalt an Know-How und Arbeitsplätzen in Deutschland.
- Automobilzulieferer am Standort Deutschland sind die beste Prävention gegen weitere globale Disruptionen. Sie garantieren kurze Lieferketten, geringe Störanfälligkeiten, hohes technisches Know-how, einen niedrigen CO2-Fußabdruck, bessere Kommunikation und Lösungswege.
- Die Zulieferer fordern die OEMs auf, Fairness in der Lieferkette nicht nur zu proklamieren, sondern zu leben. Das unter der Federführung des VDA im Jahr 2022 aktualisierte Branchenbekenntnis zu „Fairen Lieferbeziehungen“ weist in die richtige Richtung. Wichtiger als Bekenntnisse ist jedoch eine Umsetzung in die Tat. Und zwar beginnend bei den Leitungsebenen bis zu den operativen Einkaufsebenen.
- Schnelles Handeln auf allen Seiten ist erforderlich. Verhandlungen über ein Jahr und mehr bei laufenden Aufträgen mit immer rauer werdendem Ton sind definitiv nicht lösungsorientiert. Die OEMs müssen Klarheit bei Zuständigkeiten und entscheidungsbefugten Strukturen schaffen. Wir brauchen darüber hinaus in jedem Unternehmen eine Anlaufstelle zur Lösung strukturbedingter Zulieferkonflikte („Ombudsstelle“).
- Liquiditätssicherung hat höchste Priorität. Viele Zulieferer vermelden seit zwölf oder mehr Monaten einen negativen Cash-Flow. Die Kreditwürdigkeit der Zulieferer wird immer weiter in Mitleidenschaft gezogen – mit wirtschaftlichen Folgen auch für die Hersteller und deren Risikoabteilungen. Forderungen, auf die man sich geeinigt hat, müssen sofort bezahlt werden. Auf langlaufende Lieferungen müssen Abschlagszahlungen möglich sein.
- Vereinbarungen müssen nachhaltig getroffen werden. Kompensationen für unerwartete Sonderbelastungen aus der „ersten Welle“ (Rohstoffpreise, disruptive Teileabrufe, Lieferkettenstörungen, Logistikkosten) sind – sofern überhaupt vereinbart - aktuell nur bis zum 31.12.2022 vorgesehen. Die Belastungen aus der „zweiten Welle“ (Krieg, Energiekosten, Inflation, Tarifabschlüsse) sind bisher weder verhandelt noch gelöst. Wir brauchen eine umfassende Betrachtung und fristenoffene Lösung zu den Sonderbelastungen der Zulieferer – insbesondere für die in der Sandwich-Position zwischen marktmächtigen Rohstofflieferanten und der Automobilindustrie.
- Wettbewerb in der Vorlieferkette muss belebt werden. Die durch die OEMs aktuell vorgeschriebenen, aufwändigen Freigabeprozeduren bei einem Vorlieferantenwechsel müssen vereinfacht werden. Gerade in Zeiten unsicherer Rohstoffversorgung benötigen Zulieferer mehr Flexibilität für die Versorgung mit Roh- und Hilfsstoffen.
„Die Standortfrage der deutschen Automobilzulieferer stellt sich jetzt. Sie muss deshalb auch jetzt gelöst werden“, erklärte Vietmeyer abschließend.
Entsprechende Schreiben gingen diese Woche an Audi (hier exemplarisch beigefügt), BMW, Mercedes, VW AG, Opel und Ford.