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massivUMFORMUNG September 2016 01

GESPRÄCH Wo setzen Sie den Hebel für Lösungsansätze derzeit an und welchen Ansatz stellen Sie besonders heraus? Dr. Kwiatkowski: Bei den Methoden zur Datenaufzeichnung und -verknüpfung Big Data und Cloud Computing in der Massivumformung. Von besonderer Bedeutung ist die Durchgängigkeit im Prozess vom gegossenen Werkstoff, über Maschine und Werkzeug bis zum fertigen Produkt und die Verbindung vieler einzelner Ansätze wie zum Beispiel Datenvernetzung und Rückverfolgbarkeit oder die Datenzuordnung „Smart Tags“ von Bedeutung. Dr. Hinsel: Das Überwachen und Verknüpfen von Produktionsdaten, beispielsweise in Kombination mit mobilen Endgeräten und Anzeige von Live-Daten, trägt bereits dazu bei, Entscheidungen über Geschäftsprozesse auf größerer Datenbasis und zeitnah treffen zu können. Gelingt es, diese oder zusätzliche, durch Verwendung weiterer Sensoren gewonnene Daten abzugreifen, können aus den Ist-Daten mithilfe intelligenter Algorithmen Prognosen erstellt werden. In der Massivumformung können das Vorhersagen sein wie: Wann erreicht das Werkzeug sein Standmengenende oder wann muss das Sprühbild justiert werden? Besonders der Big-Data-Ansatz ist sehr vielversprechend, um Prozessoptimierungen quasi „in Echtzeit“ durchführen zu können und damit Effizienz und Anlagenverfügbarkeit erheblich zu steigern. Im BMWi Technologiewettbewerb „Digitale Technologien für die Wirtschaft (PAiCE)“ stehen Sie als Vertreter der Schmiedeunternehmen des Verbundprojekts unter dem Kürzel EMuDig 4.0. Können Sie kurz die erbrachten Vorarbeiten in Ihrem Unternehmen beschreiben? Dr. Kwiatkowski: Wir verfügen in unserem Unternehmen aufgrund der hohen Qualitäts und Sicherheitsanforderungen im Bereich der Luft- und Raumfahrt über langjährige Erfahrungen bei der Aufzeichnung umfangreicher Prozess und Produktparameter in Verbindung mit den Produktionsverfahren Gießen, Schmieden und Wärmebehandeln. Die Aufzeichnung erfolgt vielfach bauteilspezifisch und produktionsnah, sodass eine Auswertung der Produktqualität im direkten Anschluss an das Fertigungslos erfolgt. Zusätzlich sind für diese Produktgruppen und die verwendeten Bild1: Ausprägung der Systeme zur Problemlösung und Prozessregelung unter Nutzung von „Big Data“, in Anlehnung an: Rivera, J.; van der Meulen, R.; Gartner , S.: Advanced Analytics Is a Top Business Priority (Press Release), 2015, elektronisch veröffentlicht, www.gartner.com/newsroom/id/2881218 Werkstoffe die Prozessfenstervorgaben überdurchschnittlich anspruchsvoll, um die erforderlichen Qualitätsstandards (Nadcap) zu erfüllen. Dr. Hinsel: Seit Anfang 2016 hat unser Unternehmen das Thema Industrie 4.0 in der Unternehmensstrategie verankert, um die Verfolgung der strategischen Stoßrichtungen zum Ausbau der Technologieführerschaft und Streben nach Prozessexzellenz zu intensivieren. Es gibt vereinzelte Initiativen und Erfolge bei der Umsetzung der Digitalisierung und Automatisierung von Fertigungsprozessen, bisher vor allem in unserer Zerspanung. Im Prinzip sind wir bereits sehr digital: Alle unsere Standorte arbeiten im zentralen ERP-System, alle Umformpressen und Zerspananlagen, aber auch immer mehr Peripherie (Sägen, Scheren, Öfen, Endprüfbereiche) sind mit einer Betriebsdatenerfassung (MESSystem) ausgestattet, um die Maschinenzustände live zu erfassen. Zusätzlich kommen IT-Systeme für das Qualitätsmanagement zum Einsatz, angebunden an die Messmaschinen. Die verfügbaren Daten werden heute allerdings nur punktuell genutzt und ausgewertet. Methoden wie Six Sigma und statistische Prozessregelung erlauben, einige wenige Parameter in Zusammenhang zu bringen – die Komplexität der gesamten Prozesskette regeln wir damit aber noch lange nicht. Wie setzt sich das Konsortium zusammen? Dr. Kwiatkowski: Drei Industrievertreter aus der Massivumformung als auch aus dem Anlagenbau kooperieren im Vorhaben mit zwei Instituten aus der Umformtechnik sowie zwei Instituten aus der Informationstechnologie. Insofern sind wir sehr breit aufgestellt und erwarten eine hohe Anzahl an Synergieeffekten. Das Vorhaben bildet somit die komplette Prozesskette ab. Welchen Anteil nimmt die Umsetzungsphase ein? Gibt es unternehmensspezifische Schwerpunkte? Dr. Kwiatkowski: Die Ausschreibung des Förderprogramms zielt darauf ab, digitale Technologien nicht nur zu erforschen, sondern während der Projektlaufzeit in die Praxis umzusetzen. Dementsprechend nimmt die UmIM 22 massivUMFORMUNG | SEPTEMBER 2016


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