Page 22

massivUMFORMUNG März 2017

IM RUNDBLICK praktisch bedeutende Haftung nach § 823 I BGB kann auch den geschäftsführenden Gesellschafter treffen, insbesondere durch Verletzung der Pflicht zur Beobachtung eines Produkts auch nach Verlassen des Werks und zum Rückruf des Produkts, wenn es sich als gesundheitsgefährdend erweist. HOHES HAFTUNGSRISIKO SCHON LANGE BEKANNT Das Haftungsrisiko für geschäftsführende Gesellschafter ist also spätestens seit diesen und ähnlichen Urteilen bekannt. Existenzgefährdend kann es werden, wenn verschiedene Anspruchssteller auf das Privatvermögen eines Geschäftsführers oder Vorstands zugreifen. Selbst wenn im parallelen Strafprozess eine Gefängnisstrafe ausbleibt, kann die deutsche Gewerbeordnung (GewO) dafür sorgen, dass Unternehmenslenker nach einem rechtsgültigen Urteil massive Karriereprobleme bekommen. Denn durch eine Verurteilung ist ihre „Unzuverlässigkeit“ belegt, was zukünftige Geschäftsführertätigkeiten ausschließt. GEFAHRENPOTENZIAL NIMMT EHER ZU ALS AB Zusätzlich zur bereits aktuell ernsten Situation für Geschäftsführer oder geschäftsführende Gesellschafter gibt es Tendenzen, dass sie sich weiter zuspitzen wird. Haupttreiber dieser Entwicklung sind zum einen zunehmende Verschärfungen im Bereich von Zertifizierungsvorgaben und zum anderen die aktuelle deutsche Rechtsprechung. Bei den Zertifizierungsvorgaben sieht die ISO 9001 in ihrer aktuellen Fassung aus dem Jahr 2015 beispielsweise vor, dass die Leitung eines Unternehmens stärker in die Verantwortung genommen wird als dies bis dahin der Fall war. Deutlich wird das schon dadurch, dass von Führungskräften nunmehr ausdrücklich ein aktiver Einsatz für das Qualitätsmanagementsystem verlangt und die Bestellung eines QM-Beauftragten nicht mehr gefordert wird. In der Rechtsprechung hat in jüngster Zeit besonders ein Urteil des X. Zivilsenats des BGH für Aufsehen gesorgt („Glasfaser II“). Dabei ging es um einen Schadensersatzanspruch nach § 139 Patentgesetz. In der Sache hat der Senat für den Fall der Verletzung eines erteilten Patents durch ein Unternehmen eine persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers gegenüber Dritten auf Schadensersatz wegen der Patentverletzung bejaht. Denn der Rechtsverkehr vertraue in besonderer Weise darauf, dass er als Geschäftsführer solche Rechtsverletzungen verhindert. Besonders bemerkenswert: Der Senat kehrt die Beweislast shutterstock- Juannagott um. Konkret heißt dies, dass Geschädigte nicht beweisen müssen, dass ein Geschäftsführer direkt verantwortlich ist – vielmehr muss eine Geschäftsleitung nachweisen, dass sie angemessene organisatorische Maßnahmen ergriffen hat, um „eine Verletzung absoluter Rechte Dritter zu verhindern“. Unter absoluten Rechten versteht man unter anderem das Recht am Eigentum, das Recht auf körperliche Unversehrtheit oder auch technische Schutzrechte. Doch auch wenn dieses von der Fachwelt stark beachtete Urteil nur einen kleinen Ausschnitt der gerichtlichen Praxis abbildet, steht es dennoch für einen Trend innerhalb der Justiz, genauer und strenger hinzusehen und zu verurteilen. DELEGIEREN REICHT NICHT AUS Daraus folgt, dass Geschäftsführer sich nicht mehr alleine mit einem „Delegieren von Verantwortung“ gegen mögliche Haftungsansprüche absichern können, wie dies in der Vergangenheit häufig praktiziert wurde. Die Verantwortung kann also beispielsweise nicht auf einen QM-Beauftragten „abgeschoben werden“, vielmehr sind Unternehmensverantwortliche heute in der Pflicht, Qualitätsmanagement Maßnahmen zu ergreifen. Neben dem Entschluss, ein QM-System einzuführen, muss ein Geschäftsführer allerdings auch selbst aktiv werden. Wichtig ist beispielsweise, dass er den Prozess aktiv begleitet und die Dokumentation und das Reporting im Auge behält. VERSICHERUNGSSCHUTZ IST DAS A UND O Auch ein ausgeklügeltes Qualitätsmanagement-System mit Dokumentation und streng geregelten Abläufen bietet keinen hundertprozentigen Schutz vor den beschriebenen Gefahren. Um das eigene Unternehmen und sich selbst abzusichern, sollten Geschäftsführer zusätzlich auf spezielle Versicherungslösungen setzen. Besonders im Fokus stehen sollten dabei die Betriebs und Produkthaftpflichtversicherung, die Kfz-Rückrufkostenversicherung sowie die Umwelthaftpflicht und die Umweltschadensversicherung. In all diesen Policen gelten die Geschäftsführer für ihre persönliche Haftung aus ihrer Tätigkeit als mitversicherte Personen. Als direkte Absicherung der Unternehmenslenker sollte eine sogenannte „Directors and-Officers- Versicherung“ (D&O) ergänzt werden. Versicherungsgegenstand der Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherung sind gesetzliche Haftpflichtansprüche Dritter privatrechtlichen Inhalts wegen Personen oder Sachschäden. 22 massivUMFORMUNG | MÄRZ 2017


massivUMFORMUNG März 2017
To see the actual publication please follow the link above