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massivUMFORMUNG März 2017

IM FOKUS Idealfall ist die Nutzung der IT-Systeme so einfach wie die Nutzung einer App! Die Logik und Komplexität steckt im sogenannten „Backend“, in der Datenbank. Die Nutzung derart einfach zu gestalten, ist „die hohe Kunst“ der Symbiose aus Umformtechnik und IT-Know-how. Unabhängig davon werden sich die Anforderungen an die Menschen und in direkter Konsequenz deren Fähigkeiten ändern: Der Maschinenbediener von heute wird zum „Operator“ von morgen: Auch, wenn er schnellen Zugriff auf die Daten hat: Er muss sie verstehen! VISIONÄRES BEISPIEL AUS DER KALTMASSIVUMFORMUNG Für die Fließpresstechnik wagen wir abschließend einen Gedankenausflug in die Smart Factory als Vision: Gesägte Rohteilabschnitte für ein Kegelrad werden sortiert und automatisch in eine Reihenfolge zum Inline Phosphatieren gebracht. Die Phosphatieranlage ist in Echtzeit geregelt und die erforderlichen Chemikalien werden über Echtzeit Bedarfsmeldungen beim Lieferanten bestellt sowie Just in Time geliefert. Die Prozessparameter der Beschichtungstechnik gehen in die Pressensteuerung ein. Die Rohteilabschnitte werden in einer definierten Reihenfolge zum Verpressen gebracht, schwerere Rohteilabschnitte dabei zu Ende des Loses abgepresst. Prozessparameter und Behandlungen werden von der Pressensteuerung eingelesen. In der Presse selbst werden Unterschiede in Rohteiltemperatur sowie in unterschiedlichen Oberflächenschattierungen der Beschichtung ebenfalls in Echtzeit erkannt. Umformkraft und Umformgeschwindigkeit werden auf der Servopresse über definierte Algorithmen im Sinne neuronaler Netze mit hinterlegten Wenn- Dann-Regeln kompensiert. Selbstverständlich ist der Anlagenzustand jederzeit und überall über Tablet-PCs abrufbar. Die Qualitätssicherung der gepressten Teile erfolgt über optoelektronische Systeme, welche die Veränderungen als Prozessregelgrößen an die Presse zurückmelden. Diese Reihenfolge wird auch über das Glühen beibehalten. Die finale Warmbehandlung erfolgt über intelligente Leitsysteme unter Berücksichtigung der Massen und Oberflächenverhältnisse. Die Warmbehandlungsparameter werden jedem Los als digitale Information mitgegeben und bei der Weich- und Hartzerspanung als relevante Parameter berücksichtigt. Die Zerspanungsmaschinen lesen diese Informationen ein, weil sie der Hersteller mit der Lieferung an den Abnehmer übertragen hat. Die relevanten Informationen beziehen sich auf Stahlcharge, Wärmebehandlungen und wichtige Prozessparameter, welche die Zerspanung beeinflussen. Alle prozessrelevanten Parameter sind in der Cloud abgelegt. Vor allem: Jedes Kegelrad hat einen digitalen Pass mit seinen Prozessparametern. ZUSAMMENFASSUNG UND FAZIT Die digitale Transformation in der Umformtechnik stellt eine unternehmerische Herausforderung dar und kann deshalb nur Chefsache sein, da sie sämtliche Unternehmensbereiche erfasst. Die Rolle und Organisation der IT wird sich in den nächsten Jahren verändern. Produktion und IT werden sich sehr stark vernetzen müssen. Zudem müssen die Mitarbeiter weiterentwickelt und qualifiziert werden. Es entstehen neue Formen der Zusammenarbeit, es entstehen neue Dienstleistungen. Die digitale Transformation ist nur mit einem gemeinsamen interdisziplinären Ansatz zu schaffen. Prozesstechnik und Datentechnik müssen eng kommunizieren und dieselbe Sprache sprechen. Die Unternehmen sollen sich eine eigene Strategie geben und klein, aber erfolgreich anfangen. Die nachweisliche Komplexität kann nur durch Zerlegen der Prozesse beherrscht werden. Wirtschaftliche Vorteile können kurzfristig erschlossen werden, wenn Investitionen in Personal, Ausbildung und Technologie beziehungsweise Datenverarbeitung und Sensorik über mehrere Jahre konsequent getätigt werden. Lernfähigkeit und Lernwilligkeit der Mitarbeiter werden eine Schlüsselrolle spielen. Dazu gehört zudem eine große Portion Management of Change. Ohne die Bereitschaft, technologisch gestützte Prozesse und die Denke im Unternehmen zu verändern, wird Industrie 4.0 jedoch scheitern. 1 http://blog.wiwo.de/look-at-it/2016/11/07/fast-alledeutschen firmen-beschaeftigen-sich-mit-digitalisierungaber nur-40-prozent-mit-projekt/, aufgerufen am 08.11.2016 2 ConSenses GmbH, interner Messbericht, 14.11.2016 30 massivUMFORMUNG | MÄRZ 2017


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