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SchmiedeJOURNAL September 2015 002

Bild 3: a) Gestaffelte Anordnung von rückfedernden Umformwerkzeugen (Flachsattel und Gesenkbiegewerkzeug). Mit dem Flachsattel geformtes Halbzeug aus Wolfram b) vor dem Gesenkbiegen auf und c) nach dem Biegen. Bilder: Autor SchmiedeJOURNAL September 2015 73 Gießen, Spanen und Fügen zu miniaturisieren, um die besonderen Eigenschaften der Metalle auch in winzigen Bauteilen umzusetzen, stößt man dabei schnell an Grenzen. Limitierungen ergeben sich neben dem Problem der Reduzierung der Maschinengröße und entsprechenden Erhöhung der Fertigungsgenauigkeit auch in der grundsätzlich verschiedenen Skalierung von physikalischen Gesetzmäßigkeiten. Stellvertretend soll an dieser Stelle auf die adhäsiven Kräfte eingegangen werden, die für den Zusammenhalt von Objekten verantwortlich sind und schon für Objekte im unteren Millimeterbereich gegenüber der Gewichtskraft überwiegen – ein Grund, weshalb sich Insekten mithilfe feiner Härchen an den Beinen auch kopfüber an mikros kopischen glatten Oberflächen bewegen können! Folglich ist die Steuerung adhäsiver Kräfte entscheidend – während die Schwerkraft für Prozesse im Mikro- und Nanobereich von untergeordneter Rolle ist. An dieser Stelle kommt das Umformen als ein Fertigungsverfahren ins Spiel, das gegenüber anderen Verfahren allein mit adhäsiven Kräften steuerbar ist und für den Fall des Freiformens bereits mit einfachen Werkzeuggeometrien enorme gestalterische Möglichkeiten zulässt. Eine Besonderheit des Nanobereichs ist zudem die hohe Duktilität bei Raumtemperatur. Selbst makroskopisch schlecht umformbare Metalle weisen eine enorme plastische Verformbarkeit im Nanobereich auf. Ursächlich sind zum einen die mit Probenvolumina abnehmende Defektdichte 1 und zum anderen das Verhältnis aus Oberfläche und Volumen, welches mit abnehmender Objektgröße zunimmt. Wie im Folgenden noch gezeigt wird, lassen sich mit dem Nanoschmieden enorme Umformgrade bei Raumtemperatur realisieren, beispielsweise am sonst plastisch schlecht formbaren Wolfram. Als Rohmaterial erfordert das Nanoschmieden kleinste Halbzeuge, die mithilfe elektrochemischer Verfahren aus metallischen Drähten oder zweiphasigen Legierungen hergestellt werden. Nach diesem Prozess liegen unter anderem freistehende, kubische Ni3Al-Partikel (im Fall einer zweiphasigen Ausgangslegierung) oder schlanke, nahezu zylindrische metallische Stäbe (im Fall eines drahtförmigen Ausgangsmaterials) vor. Die Ni3Al-Partikel (Bild 1) sind freistehend und können mit feinen Manipulatorspitzen aufgrund der adhäsiven Kräfte positioniert werden. Die stabförmigen Halbzeuge sind aufgrund des sich verdickenden Durchmessers auf 0,5 mm direkt mit den Manipulatoren steuerbar, an ihnen wird nachfolgend das Nanoschmieden beschrieben. Die erforderlichen Manipulatoren (MM3A-EM von Kleindieck Nanotechnik) werden über Piezomotoren gesteuert und sind in bis zu vier Achsen mit einer Genauigkeit von wenigen Nanometern positionierbar. In Bild 2 ist der prinzipielle Aufbau sowie die Anordnung in der rasterelektronenmikroskopischen Ansicht zu sehen. Die Manipulatoren nehmen die umzuformenden Halbzeuge (1) und Hilfswerkzeuge (2) auf und betätigen über das Hilfswerkzeug das rückfedernden Umformwerkzeuge (3), ähnlich wie in großen Umformpressen. Nach der Entlastung des Umformwerkzeugs federt dieses in seine Ausgangsposition zurück und gibt das Umformteil frei, das entnommen oder umorientiert wird. Die rückfedernden Umformwerkzeuge werden aus einkristallinem Silizium gefertigt, das sich durch eine hohe Festigkeit auszeichnet. Die Formgebung dieser Werkzeuge erfolgt durch Abtragen mittels fokussierten Ionenstrahls 2. Dieses Werkzeug ermöglicht das Einschneiden und davon ausgehende Absetzen oder das vollständige Trennen des Werkstücks. Die Gestaltung der Umformflächen ist nahezu beliebig. Mit entsprechend konturierten, rückfedernden Umformwerkzeugen konnten so neben den klassischen Freiformtechniken wie dem Recken, Breiten, Stauchen auch die Eignung für das Gesenkformen und das Biegeumformen gezeigt werden. Auf diese Weise kann sich eine zahnförmige Gesenkgravur auf das Halbzeug aus Wolfram abformen, das als Zahnwelle für die Übertragung mechanischer Kräfte eingesetzt werden kann. Betrachtet man die Größe dieser Umformteile genauer, beträgt die Höhe eines Zahns (≈ 200 nm) weniger als ein Zehntel des Durchmessers eines roten Blutkörperchens (≈ 5 bis 8 μm) oder einem Hundertstel des Durchmessers eines Haars (≈ 50 Bild 1: Metallischer Ni3Al-Schmiedewürfel an einer Manipulationsspitze im Vergleich zur Größe eine menschlichen Haares. Der Nanowürfel kann allein durch adhäsive Kräfte mit der Manipulationsspitze positioniert werden. Bild 2: Die Nanoschmiede im Rasterelektronenmikroskop. Links ist eine Übersicht mit den Manipulatoren und rechts eine Detailansicht des Halbzeugs zwischen den ebenen Umformflächen des rückfedernden Umformwerkzeugs. Magazin


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