Fachbeiträge SchmiedeJOURNAL September 2014 43 Gewindebohren höherfester Stähle Bei der Fertigung von M8-Gewindebohrungen in einem bainitischen und einem Vergütungsstahl fielen Unterschiede im Verschleißverhalten und dementsprechend in der Gewindequalität auf. Während bei dem bainitischen Werkstoff die Ziel-Standzahl von ZS = 1.000 erreicht wurde, kam es beim Vergütungsstahl zu verstärkten Materialanhaftungen und infolgedessen zu adhäsivem Verschleiß in Form von Schneidstoffausbrüchen nach einer Standzahl von ZS = 885. Dieser Werkzeugverschleiß konnte optisch direkt an den gefertigten Gewindeflanken nachvollzogen werden. Bei den in Bild 2 dargestellten lichtmikroskopischen Aufnahmen fällt die Oberflächenqualität beim Vergütungsstahl 50CrMo4+QT deutlich schlechter aus als bei dem Vergleichsprozess mit dem bainitischem Stahl 20MnCrMo7+BY. Um zu überprüfen, ob sich der Werkzeugverschleiß negativ auf die Leistungsfähigkeit der Gewinde auswirkt, wurden Auszugsversuche durchgeführt, bei denen die bearbeiteten Proben durch eine Prüfschraube über eine definierte Einschraubtiefe mit einer Universalprüfmaschine verbunden wurden. Anschließend erfolgte ein Auszug der Schraube mit konstanter Geschwindigkeit bis zum Riss der Schraube oder des Gewindes unter Detektion der maximal anliegenden Auszugskraft. Hierbei war kein Einfluss des bearbeiteten Materials festzustellen. Die im Prozess festgestellten Einflüsse des Vergütungsstahls auf den Werkzeugverschleiß und die Oberflächenqualität besaßen noch keinen Einfluss auf die Gewindequalität. Bei allen Auszugsversuchen riss jeweils die verwendete Schraube, die Auszugskräfte liegen unterhalb der theoretischen Schraubenfestigkeit infolge von Kerbwirkungen, die sich aufgrund der Verwendung von Schrauben mit durchgehendem Gewinde anstatt mit Schaft ergaben. Ein Einfluss des bearbeiteten Materials auf die Gewindefestigkeit konnte nicht nachgewiesen werden, es ist aber festzustellen, dass sich der bainitische Stahl im betrachteten Prozess bei vergleichbarer Festigkeit günstiger in der Zerspanung verhält als der Vergütungsstahl. Zerspanungsuntersuchungen unter industriellen Maßstäben Um zu überprüfen, ob die in den Laborversuchen generierten Ergebnisse auf einen industriellen Maßstab übertragbar sind, wurden bei einem Zulieferer der Automobilindustrie weitere Zerspanungsversuche unter den Bedingungen eines vorhandenen Serienprozesses durchgeführt. Die Laborergebnisse sind nicht zwingend mit der Zerspanung von Schmiedeteilen unter Serienbedingungen vergleichbar, da durch den Schmiedeprozess weitere Einflussgrößen auftreten können. Bei dem betrachteten Prozess handelt es sich um die Herstellung von Common-Rails aus dem Werkstoff 38MnVS6 (Rm ≈ 960 MPa) mit einer Stückzahl von bis zu 3 Mio. Stück p. a. Die Werkstücke liegen dabei als Schmiederohling vor und werden bis zum Fertigteil mit verschiedenen Fertigungsverfahren spanend bearbeitet. Für die Zerspanungsversuche im Rahmen des Forschungsvorhabens wurden Schmiederohlinge aus dem Werkstoff 20MnCrMo7+BY gefertigt, wobei die Zugfestigkeit des hierfür verwendeten Stabmaterials mit Rm = 1.253 MPa deutlich höher ausfällt. Da nach Erkenntnis der Laborversuche bei Einsatz der Serienwerkzeuge Standzeitminderungen zu erwarten gewesen wären, wurden zur Bearbeitung der höherfesten bainitischen Schmiederohlinge angepasste Werkzeuge ausgelegt. Für die in der Common-Rail-Fertigung benötigten Verfahren Drehen, Tiefbohren und Fräsen fand eine Anpassung der Serienwerkzeuge auf Basis der Ergebnisse der Untersuchungen am Institut für Spanende Fertigung für die Zerspanung bainitischer Stähle statt. In Bild 3 sind vergleichende Verschleißaufnahmen für die Drehbearbeitung der Anschlüsse sowie die Fertigung der Durchgangsbohrung dargestellt. Neben einem Einsatz der in der realen Fertigung verwendeten Kombination aus Werkzeug und Werkstoff wurden die bainitischen Schmiederohlinge mit den angepassten Werkzeugen bei gleichen Schnittwerten bearbeitet. Die in der Abbildung dargestellten Verschleißaufnahmen sind nach einer identischen Einsatzzeit der Werkzeuge aufgenommen worden und exemplarisch für die durchgeführten Wiederholversuche. Der Vergleich der Tiefbohroperation zur Fertigung der Durchgangsbohrung verdeutlicht, dass der höherfeste bainitische Werkstoff durch die Verwendung des angepassten Werkzeugs vergleichbar gut bearbeitet werden kann wie der Werkstoff 38MnVS6 mit dem Bild 1: Projektbeschreibung. Bild 2: Gewindebohren der höherfesten Werkstoffe 20MnCrMo7+BY (Bainit) und 50CrMo4+QT (Vergütungsstahl).
SchmiedeJOURNAL
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