Report SchmiedeJOURNAL September 2013 21 Unter Endoprothetik ist hingegen das Implantieren von – ebenfalls überwiegend metallischen – rekonstruktiven Funktionselementen zu verstehen, welche dauerhaft im Körper verbleiben und das jeweilige geschädigte Gelenk ganz oder teilweise ersetzen. Einer der bekanntesten Vertreter dieser Gattung ist die Hüftprothese, aber auch Knie- oder Schultergelenke werden zunehmend durch Endoprothesen ersetzt. Tragende Rolle des Schmiedeteils bei der Frakturbehandlung Der „Orthopaedic Industry Annual Report“ nennt jährlich über 50 Millionen Frakturen, die zu 51 Prozent Patienten aus der Altersgruppe unter 45 Jahren widerfährt. Etwa acht Millionen dieser Frakturen werden osteosynthetisch versorgt. Die Vorteile dieser Operationsmethode beschreiben gleichzeitig die Anforderungen an die geschmiedeten Traumaplatten: Eine hohe Verwindungssteifigkeit während der OP zählt genauso wie die exakte Anpassung an die anatomische Form des Knochens zu den Entscheidungskriterien, als auch die gewünschte frühzeitige Belastbarkeit des Verbunds aus Knochen und Platte. Die Teilbelastung des traumatischen Knochens auch im größeren Zeitabstand nach Auftreten der Fraktur war in der Vergangenheit lange nicht möglich und ist heute nur durch die hervorragenden mechanischen Eigenschaften geschmiedeter Traumaplatten zu verantworten, denn gerade in Gelenknähe werden die Platten eingesetzt beziehungsweise verschraubt. Genau dort, im sogenannten metaphysären Bereich mit geringer Weichteildeckung, treten im Bewegungsablauf die höchsten Belastungsspitzen auf und das Ausfallrisiko bei Einsatz von alternativen Werkstoffen oder Fertigungsverfahren wird als zu hoch eingestuft. Die Vielzahl der möglichen Schmiedeteile wird allein bei der Betrachtung einer Fraktur der unteren Extremität, das heißt des Beins, deutlich: Die Anzahl von 16 unterschiedlichen geschmiedeten Rohteilen, aus welchen mehr als 40 verschiedene Endprodukte hergestellt werden, ergibt sich allein aus • der örtlichen Anwendung, das heißt am Oberschenkelknochen (Femur) oder Schienbein (Tibia), • der Lage der Fraktur, gemeint ist distal (von Körpermitte weg, also unten) oder proximal (zur Körpermitte hin, hier gleichbedeutend mit oben), • durch die Notwendigkeit einer linken und rechten Variante und • durch unterschiedliche Plattenlängen. Die Sortimentsbreite wird sich durch das künftige Angebot der Platten aus Titanlegierung noch verdoppeln. Herstellung einer distalen Femurplatte Vor der eigentlichen Herstellung eines Serienimplantats findet die gemeinschaftliche Entwicklung des Bauteils zwischen dem Medizinproduktehersteller und dem Rohteillieferanten statt. Dabei stellt der Medizinproduktehersteller ein 3D-Modell des Bauteils zur Verfügung, aus dem der Umformspezialist den Schmiederohling unter Berücksichtigung der Bearbeitungspunkte und der schmiedetechnologischen Eigenschaften entwickelt. Die Fertigungswerkzeuge werden aus dem Rohteil abgeleitet. Parallel dazu wird immer eine Belastungsrechnung vorgenommen und eine Prozesssimulation aller Umformschritte durchgeführt. Stellvertretend für die Anzahl an Produktvarianten wird im Folgenden der Ablauf bei der Produktion einer distalen Femurplatte aus dem metallischen Implantatwerkstoff 1.4441 (X2CrNiMo 18 15 3) vorgestellt. Der Arbeitsplan für das Rohteil umfasst nicht weniger als 30 Fertigungs- und Kontrollarbeitsschritte. Bild 1: Mehrfach werden die Schmiedeteile bis zur endgültigen Formgebung im Ofen erwärmt. Bild: Autor Bild 2: Stadiengang einer geschmiedeten Femurplatte: Sägeabschnitt, Biegen, Schmiederohling entgratet, geschliffen und gestrahlt (Fertigteil). Bild: SMB SA
2013-09-Schmiede-Journal
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