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2013-03-Schmiede-Journal

Fachbeiträge SchmiedeJOURNAL März 2013 33 Anforderungen wie Bauraum, Schnittstellen und Lastbedingungen sowie wesentliche Rahmenanforderungen definiert sind. Nicht zuletzt dank des Einsatzes moderner, hoch leistungsfähiger IT-Tools zur Simulation von Prozessen und Bauteileigenschaften kann der Massivumformer heute bei solchen Aufgabenstellungen auf Augenhöhe mit den Spezialisten seiner Kunden agieren. Der Prozess macht das Produkt Für ein optimales Produktdesign sind umfassende Kenntnisse über den Herstellprozess unerlässlich. Sie ermöglichen die bestmögliche Ausnutzung von verfahrensbedingten Vorteilen zur Sicherstellung optimaler Produkteigenschaften. Jeder Konstrukteur ist mit der Tatsache vertraut, dass es in der Praxis nahezu unmöglich ist, beispielsweise ein Gussteil durch ein Schmiedeteil oder eine Schweißkonstruktion zu substituieren, wenn man nicht zugleich umfassende Anpassungen der Geometrie vornimmt. Dahinter steht die Erkenntnis, dass der Prozess das Produkt „macht“. Darunter ist zu verstehen, dass sich die mechanischen Eigenschaften eines Bauteils je nachdem, wie der zur Entstehung der Kontur eingesetzte Prozess abgelaufen ist, selbst bei gleichem Werkstoff teils erheblich unterscheiden können. Dies gilt – um ein einprägsames Beispiel zu geben – umso mehr, je größer die Wanddicke des Teils ist beziehungsweise je ausgeprägter die Wanddickenunterschiede innerhalb des Teils ausfallen. Betrachtet man dann noch wesentliche Aspekte der (Groß) serienfertigung wie Kosten, Qualitätssicherung und Minimierung des Ressourcenverbrauchs, bestimmen der Produktionsprozess und seine Besonderheiten das Geschehen endgültig. Dem Beispiel der Automobilindustrie folgend setzen deshalb immer mehr Branchen darauf, ihre Zulieferer schon in der Konzeptphase am Entwicklungsprozess zu beteiligen. Durchdringung unterschiedlicher IT-Welten Bei der Zusammenarbeit der Konstrukteure des Kunden und der Prozessspezialisten des Massivumformers treffen unterschiedliche Gruppierungen aufeinander, deren Denkweise stark durch die jeweils verwendeten IT-Instrumente geprägt wird. So verwendet der Konstrukteur für seine Arbeit CAD-Programme, die meist auf dreidimensionalen Körpermodellen basieren. Dabei wird der Körper in der Regel als isotropes Kontinuum Bild 2: FEM-Simulation – Verteilung der Ermüdungsfaktoren in einem Pleuel mit konventioneller Geometrie (links) im Vergleich zu einem optimierten Pleuel mit deutlich schlankerem Schaft (rechts) bei Auslegungsbelastung. Bild: Mahle Motorkomponenten Das neue EXTRA-Info Simulation in der Massivumformung Um der hohen Dynamik im Bereich der Entwicklung moderner Simulationssoftware Rechnung zu tragen, hat der Industrieverband Massivumformung e. V. ein neues EXTRA-Info „Simulation in der Massivumformung“ in einer deutschen und englischen Version aufgelegt. Ein besonderer Schwerpunkt gilt dabei auch der Beschreibung praktischer Anwendungsfälle. Sie zeigen anschaulich, welche Vorteile sich ergeben können, wenn die sehr mächtigen IT-Werkzeuge, die uns heute zur Verfügung stehen, kreativ und intelligent eingesetzt werden. Gleichwertig neben der Beschreibung praktischer Anwendungen steht hierbei auch die Frage, welche weiteren Fortschritte auf diesem Gebiet zu erwarten sind. Hier kommen Softwareanbieter zu Wort, die ihre aktuellen Entwicklungsschwerpunkte vorstellen sowie Forschungsinstitute, die Grundlagenforschung mit dem Ziel eines besseren Verständnisses der Vorgänge in Werkstück und Werkzeug betreiben. Das EXTRA-Info ist kostenfrei zu beziehen unter osenberg@metalform.de. angesehen, dessen physikalische Eigenschaften – zum Beispiel Dichte, Elastizitätskoeffizient, zulässige Verformungs- und Bruchspannung, thermische und elektrische Leitfähigkeit – an jeder Stelle und in jeder Richtung gleich sind. Dieser Denkan- satz findet sich immer wieder bei weniger erfahrenen CAD-Konstrukteuren. Ganz anders ist dagegen die Sicht des Massivumformers. Sein Wissen um Dynamik und Bandbreite der Veränderungen im Werkstoff im Verlauf der Umformung spiegelt sich in seinen auf der Finite-Elemente- Methode basierten Simulationstools, welche die komplexen und sich örtlich wie zeitlich im Verlauf des Umformprozesses ändernden Gegebenheiten innerhalb eines Bauteils berücksichtigen. Das Einbringen dieses Wissens in die Entwicklungspartnerschaft und damit verknüpft die positive Durchdringung der beiden unterschiedlichen Denkweisen ist ein entscheidender Produktivitätsfaktor. Entscheidend sind Prozesskompetenz und Kreativität Bei diesem Simultaneous Engineering bringen die Spezialisten der Massivumformung einen weiteren wesentlichen Vorteil ein: ihre Erfahrung. Bei ihnen laufen gedanklich aufgrund ihrer Detailkenntnisse bezüglich Möglichkeiten und Grenzen ihres Fertigungsprozesses gleich mehrere „Expertensysteme“ mit. Diese überprüfen die prozesstechnischen Besonderheiten und Kosten-Nutzen-Aspekte aus ihrem Bereich. Hierbei ergeben sich neben der optimalen Materialausnutzung und einer werkzeugschonenden Auslegung des Prozesses häufig auch noch weitere Vorteile entlang der Gesamt-Prozesskette bis hin zum Endanwender, beispielsweise als Folge eingesparter Fertigungsschritte, durch Gewichtseinsparungen oder durch verbesserte Gebrauchseigenschaften. Dank intensiver Fortschritte bei Hard- und Software sind die dem Massivumformer heute zur Simulation zur Verfügung stehenden IT-Tools sehr mächtig und gestatten umfassende und zielgenaue Vorhersagen. Dennoch muss man sich vergegenwärtigen, dass Simulationswerkzeuge genau das sind, was der Name bereits aussagt, nämlich Werkzeuge mit bestimmten Eigenschaften für einen bestimmten Zweck. Sie können das Denken nicht ersetzen und entfalten ihren vollen Nutzen erst in der Hand des erfahrenen Fachmanns, der seine Prozesse umfassend kennt und zugleich ihre Leistungsfähigkeit abschätzen kann. Entscheidender Faktor des Fortschritts bleibt die Kreativität des Menschen, bleiben pfiffige Ideen und der Mut, neue Wege zu gehen. Die Aufgabe der Simulation ist es dann, ihn bei der Ausarbeitung der Machbarkeit und der Vorteile dieser Ideen zu unterstützen. n Dipl.-Ing. Klaus Vollrath


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