Wesentliche Herausforderungen bei der Modellierung von Querwalzverfahren hinsichtlich der Ergebnisqualität und Aussagefähigkeit der Prozesssimulation sind neben der Materialbeschreibung folgende Schwerpunkte: • Reproduzierbarkeit im Prozess Der Realprozess reagiert sensibel auf kleine Schwankungen der Prozessbedingungen. Unter anderem in Folge von Toleranzen der Anfangsform, der Temperatur beziehungsweise des Temperaturgradienten und der Abweichung der Einlegeposition ist von einer Streuung der Umformergebnisse auszugehen. Durch eine Reihe von Variantenrechnungen können diese Abweichungen simulativ untersucht werden. • Reibung (Ermittlung und Implementierung) Ein wesentlicher Aspekt der Modellableitung ist die Reibungsdefinition 5. Die in der Praxis an den Werkzeugen mittels Riefen und Rauheit eingebrachten Reiboberflächenabschnitte führen zu richtungsabhängigem und über das Werkzeug nicht konstantem Reib- beziehungsweise Fließverhalten. Es existieren verschiedene Ansätze, um diese komplexen Reibbedingungen im Simulationsmodell abzubilden. So kann mit lokal unterschiedlichen Reibwerten modelliert werden 6 oder grobe Oberflächenstrukturen als geometrische Elemente im Werkzeug integriert werden. • Werkzeugverschleiß Ein weiterer Untersuchungsschwerpunkt beim Querwalzen ist die sich über die Standzeit des Werkzeugs verändernde Werkzeuggeometrie infolge der Verschleißerscheinungen. Eine den Verschleiß berücksichtigende Prozesssimulation durch Anpassung der Werkzeuggeometrie ist je nach Anwendungserfordernissen notwendig. Ähnliches gilt für den Einarbeitungsprozess. • Schädigungsvorhersage Neben den Walzfehlern, wie in Bild 2 dargestellt, sind Werkstoffschädigungen wie Oberflächenrisse oder Kernrisse bei Querwalzprozessen 30 SchmiedeJOURNAL März 2013 relevant. Unterschiedliche Schädigungsmodelle werden unter anderem zur Untersuchung dieser Versagensarten angewandt 7, 8, 9. Axialgesenkwalzen Axialgesenkwalzen bezeichnet ein Verfahren, bei dem ring-, scheiben- oder zylinderförmige Ausgangsgeometrien zu einer Zwischen- oder Endform verarbeitet werden. Es wird beispielsweise zur Fertigung von Flanschen, Felgen und Antriebsrädern angewendet. Ein konturiertes Oberwerkzeug walzt das Werkstück in eine Gesenkkontur. Ober- und Unterwerkzeug sowie Werkstück befinden sich dabei in einer gleichsinnigen, (nahezu) synchronen Drehbewegung, während über eine axiale Zustellbewegung, die üblicherweise im Oberwerkzeug umgesetzt wird, das Werkstück in das Gesenk gedrückt wird. Das Oberwerkzeug ist gegenüber dem Unterwerkzeug um einen kleinen Winkel von zirka 5° geneigt. Diese Neigung bewirkt, dass während der Umformung immer nur ein relativ kleiner Bereich des Werkstücks in Umformkontakt ist und die Gesamtumformung als Folge kleiner partieller Umformschritte realisiert wird 10. Zur Generierung eines Prozessmodells sind neben den Geometriedaten von Werk- und Halbzeug, die Rotationsgeschwindigkeit der synchron rotierenden Werkzeuge und die Vorschubgeschwindigkeit des Oberwerkzeugs abzubilden. In Bild 5 ist im Querschnitt die Ausformung eines Ventilsitzes aus 1.4718 (X45CrSi9-3) dargestellt. Die Anfangsgeometrie entspricht einem dickwandigen, rohrförmigen Halbzeug, welches wie dargestellt im oberen Bereich umgeformt wird. Die Werkzeuggestaltung konnte im Vorfeld der Werkzeugfertigung mittels Prozesssimulation so optimiert werden, dass kein weiterer Änderungszyklus erforderlich war. Für das Axialgesenkwalzen ist das Werkstofffließverhalten ein zentraler Betrachtungsgegenstand, um Prozesskräfte exakt auszugeben. Weiterhin ist die Berücksichtigung von Maschinen- und Werkzeugsteifigkeit für eine Reihe von Anwendungen zweckmäßig. Hierbei steigen jedoch die Rechenzeiten jeweils stark an. Ringwalzen Das Ringwalzen ist ein Verfahren, das in der Praxis in unterschiedlichen Konfigurationen zum Einsatz kommt und bei dem in der Regel aus einem gelochten Halbzeug, welches wiederum mittels Stauchen und Lochen unmittelbar zuvor bereitgestellt wird, ein einfaches oder konturiertes ringförmiges Bauteil hergestellt wird. Dieses Verfahren ist durch eine Reihe von an der Umformung aktiv und passiv beteiligten Werkzeugen, meist eine Kombination von Zylinder- und Kegelwalzen, gekennzeichnet. Alle im Eingriff befindlichen Werkzeuge haben eine spezifische Kinematik. Das Ringwalzen ist auf Grund der großen Anzahl kinematisch zwangsbewegter Werkzeuge hinsichtlich des Modellierungsaufwands anspruchsvoll. Je nach Softwaresystem stehen unterschiedliche Möglichkeiten, teilweise auch spezifische Module der kinematischen Modellierung insbesondere für die Stützwalzen zur Verfügung. In Bild 6 ist das Ergebnis der Simulation eines Ringwalzprozesses mit einem Ring aus 1.0570 (St52) mit 520 mm Enddurchmesser dargestellt. Die Farbskala charakterisiert die Temperaturen am Ring. Das Ringwachstum und die Parameterwechselwirkungen zeigen erfahrungsgemäß gute Übereinstimmungen mit der Praxis. Die Möglichkeit der Simulation der gesamten Prozesskette mit den dem Ringwalzen vorgelagerten Prozessen Stauchen und Lochen ist eine wertvolle Hilfe bei der Prozessauslegung. Neben dem Ringwalzen sind auch Scheibenwalzprozesse, welche große Ähnlichkeiten hinsichtlich der Kinematik zum Ringwalzen aufweisen, mittels Prozesssimulation abbildbar. Eine wesentliche Herausforderung bei der Simulation von Ringwalzprozessen ist die Berücksichtigung von Erholungsvorgängen. Der Werkstoff ist während einer Ringumdrehung signifikanten Erholungsvorgängen unterworfen, die das Fließverhalten des Werkstoffs beeinflussen. Wie in anderen Prozessen haben auch hier das Wärmeübergangs- und Fachbeiträge Bild 5: Simulation des Axialgesenkwalzens eines Ventilsitzes (Simufact.forming). Bild 6: Temperaturgradient am Werkstück im Ringwalzprozess (Simufact.forming). Bilder: Autoren
2013-03-Schmiede-Journal
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