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2013-03-Schmiede-Journal

Dialog Warmfestigkeit 60 gibt es fast immer erfahrene Mitarbeiter, die auch vielfach ein „gutes Bauchgefühl“ für richtige Entscheidungen haben. Unsere Erfahrung ist, dass gerade diese Mitarbeiter die Werkstoffsimulation als willkommene Ergänzung oder Sparringspartner in der Diskussion sehen. Aber davon abgesehen: Angesichts von Zeit und Kosten für Prüfungen ist die schnelle Berechnung von Werkstoffdaten eine echte Alternative, um eine Prozessfähigkeit eines Werkstoffs besser abschätzen zu können. Bei aller Innovationstätigkeit – besteht nicht auch die Versuchung, die eigenen Standardabläufe zu vernachlässigen? Dr. Winning: Im Gegenteil. Ich halte es für ausgesprochen wichtig, permanent die eigenen Prozesse zu untersuchen und weiterzuentwickeln. Dies kann bei uns schon bei der Wahl eines geeigneten Schmiedeblocks beginnen. Wie sind damit etwa neue Umformstrategien zu entwickeln, die für Lohmann vielleicht zu einem Alleinstellungsmerkmal werden könnten? So haben wir zum Beispiel mit Hilfe der Simulationssoftware durch Vergleichsrechnungen der „high temperature strength“ zwischen bekannten und neuen Werkstoffen abschätzen können, wie eine angedachte Güte in unseren Aggregaten besser umzuformen ist, das heißt, ob unsere Kräfte ausreichend sind und in welchem Temperaturintervall wir uns bewegen sollten (Bild 3). Erfahrungsgemäß können während eines Produktionsprozesses auch Qualitätsabweichungen auftreten. Welche Hilfen bietet hier eine Simulation? 16 SchmiedeJOURNAL März 2013 Dr. Winning: Hier müssen wir vor allem schnell reagieren können, um zu erkennen, wie ein Fehler entstanden ist und welche Gegenmaßnahmen möglich sind. JMatPro hilft uns hier diese Abweichungen zu reproduzieren und zu verstehen. Wurde etwa das Temperaturfenster zu weit geöffnet und lohnt es sich, das Material zum Ausgleich anschließend noch länger im Ofen zu halten? Auch bei einer nachträglichen Manöverkritik binden wir die eigenen Produktionsmitarbeiter in die Untersuchungen mit ein. Da die Software sehr intuitiv zu bedienen ist, kann so durch eine Rekonstruktion einer Abweichung am Bildschirm eine Sensibilisierung für künftige Projekte beziehungsweise Prozessabläufe gefördert werden. Aber auch beim Kunden können Qualitätsabweichungen auftreten. Dr. Winning: Wenn es zu einer Reklamation etwa wegen eines Spannungsbruchs durch den Kunden kommt, untersuchen wir das Härtegefüge und ermitteln zum Beispiel, wie viel Restaustenit noch vorhanden ist. Mit der Simulation rekonstruieren wir dann die Ausgangssituation. Dadurch können wir meist nachweisen, an welcher Stelle der Kunde sich gegebenenfalls nicht an unsere Empfehlungen gehalten hat. Eine Zusammenarbeit mit dem Kunden beginnt aber idealerweise schon bei der Werkstoffentwicklung. Temperatur (°C) Dr. Diekmann: Das ist die optimale Ausgangssituation: Wenn der Kunde seine Anwendungserfahrungen mit in einen Workshop zur Werkstoffentwicklung einbringt, können interaktiv mit dem Simulationssystem Ideen und Konzepte beurteilt werden. Dr. Winning: Nehmen wir einmal die Forderung nach einer hohen Härte. Der Kunde verlangt zum Beispiel eine Härte größer 60 HRC bei gleichzeitig optimaler Zähigkeit. Diese beiden Anforderungen stehen bekanntlich im Gegensatz zueinander. Mit JMatPro sind wir in der Lage, die sich einstellende Härte vorab zu berechnen. In dem Beispiel wird die Härtbarkeit einer Legierung in Abhängigkeit vom simulierten Kohlenstoffgehalt gezeigt (Bild 4). Die Software gibt uns dabei die Möglichkeit, den Kunden unmittelbar die Auswirkungen der jeweiligen Wünsche zu demonstrieren. Setzt der Umgang mit einer Software aber nicht umfangreiche Schulungen voraus? Dr. Diekmann: Das kommt darauf an – die meisten Kunden sind schon nach einer kurzen Einweisung produktiv. Dies liegt auch daran, dass Anwenderfreundlichkeit – auch für Gelegenheitsnutzer – und Stabilität ein Designziel für die Software war. Reine CAE-Anwender, die sich „nur“ ihre Werkstoffmodelle erzeugen lassen möchten, können dies sehr einfach machen. Aber auch recht komplexe Berechnungen sind durchaus für Werkstoff- Praktiker ohne akademische Ausbildung zugänglich. 1200 1000 800 600 400 200 0 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 Dehnung (MPa) Temperatur (°C) konstante Dehnungsgeschwindigkeit: 1.0 (1/s) 0,2 % Dehngrenze (Rp0,2) 40 20 0 -20 -40 -60 -80 10.0 (C/s) C = 0,92 Gewichtsprozent 0 200 400 600 800 1000 1200 Härtewert (HRC) Korngröße: 7.0 ASTM Bild 3: Berechnete Ersatzstreckgrenze im Hochtemperaturbereich. Bild 4: Berechneter Härteverlauf einer Legierung mit 0,92 Prozent Kohlenstoff. Bilder: Lohmann GmbH


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