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massivUMFORMUNG September 2017

IM FOKUS den Wettbewerb verzerrenden Ausnahmeregelungen für die Industrie erforderlich. Das Bündnis um den WSM herum setzt sich daher mit unvermindertem Nachdruck für eine vollständige Übernahme der Energiewendekosten durch den Bundeshaushalt ein und setzt dabei auf folgende Argumente: KOSTEN SOZIAL- UND LEISTUNGSGERECHT VERTEILEN Durch die Bezahlung der Energiewendekosten aus dem Bundeshaushalt werden einkommensschwache Haushalte von den Umlagen entlastet. Sollten für die Gegenfinanzierung Einkommensteuern angehoben werden, würde dies solche Haushalte nicht belasten, die Entlastung käme also vollumfänglich bei den Beziehern niedriger Einkommen an. Gleichzeitig würden jedoch Unternehmen (auch die Industrie) weiterhin an der Finanzierung der Energiewende beteiligt, da sie über die erwirtschafteten Erträge steuerpflichtig sind. Die Erträge dürften durch die Entlastung des Produktionsfaktors Strom sogar steigen und damit die Ertragssteuerbasis verbreitern. WETTBEWERBSVERZERRUNGEN BESEITIGEN – INTERNATIONAL UND NATIONAL Die hohen politischen Stromkosten behindern Unternehmen im internationalen Wettbewerb, sowohl auf ausländischen Märkten als auch im Inland! Die Entlastungssystematik bei der EEG- und KWK-Umlage führt zu Wettbewerbsverzerrungen innerhalb von Branchen in Deutschland, denn entlastete und nicht entlastete Unternehmen stellen häufig identische Produkte her. Die Berechnungssystematik der Stromkostenintensität, die zu einer Entlastung der Unternehmen berechtigt, bestraft arbeitsintensive und stromeffiziente Prozesse, verhindert also den Aufbau von Beschäftigung und Investitionen in Energieeffizienz. ARBEITSPLÄTZE SICHERN UND DEREN AUFBAU NICHT BESTRAFEN Die hohen und absehbar weiter steigenden politischen Stromkosten in Deutschland führen zu Investitionsentscheidungen gegen den Standort zugunsten von Regionen mit niedrigeren Kosten. Das gefährdet bestehende Arbeitsplätze in unserer Industrie und verhindert einen Ausbau der Beschäftigung in energieintensiven Branchen. INVESTITIONSSICHERHEIT FÜR DIE INDUSTRIE ERHÖHEN Unternehmen haben kaum Sicherheit über die Entwicklung ihrer Stromkosten! Nicht nur die EEG-Umlage steigt erkennbar weiter, auch die Netzentgelte entwickeln sich unkalkulierbar. Zudem sind die Entlastungen für die stromintensiven Unternehmen von Jahr zu Jahr nicht sicher, denn die Stromkostenintensität der Betriebe schwankt und die Rahmenbedingungen ändern sich ebenfalls. Investitionen können oft erst freigegeben werden, wenn der positive EEG-Entlastungsbescheid vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) vorliegt. Längerfristige Investitionen sind unter diesen Umständen nicht möglich. EUROPÄISCHES BEIHILFERECHT UMGEHEN Die Entlastungen der Industrie von der EEG-Umlage stehen im Fokus des europäischen Beihilferechts. Die Leitlinien für Umwelt und Energiebeihilfen als Grundlage der Entlastungssystematik gelten bis zum Jahr 2020. Vor Änderungen sind die Unternehmen nicht geschützt, auch die bisher existierenden Auffangregeln sind keineswegs sicher. Die Förderung des Ausbaus erneuerbarer Energien ist dagegen eine erlaubte Beihilfe und kann daher vom Staat übernommen werden, ohne dass die EU dagegen vorgehen könnte. DEZENTRALISIERUNG (EIGENERZEUGUNG) ERMÖGLICHEN Die Dezentralisierung der Stromerzeugung ist politisch gewünscht, unter anderem da der Netzausbaubedarf sinkt, wenn Strom vor Ort produziert und verbraucht wird. Allerdings reduziert Eigenerzeugung und -verbrauch die Strommenge, auf die Umlagen verteilt werden können, daher werden auch auf selbst erzeugten und verbrauchten Strommengen Stromumlagen fällig. Eine Abschaffung der Umlagen durch Haushaltsfinanzierung löst auch dieses Paradoxon auf. Eigenerzeugung könnte von Kosten entlastet werden und die gewünschten Wirkungen entfalten – die Energiewende würde somit beschleunigt. UND… …die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe vergleichbar der politischen Wende nach der Wiedervereinigung; für diese wird ein Solidaritätszuschlag erhoben. Die Haushaltsfinanzierung würde im Bundestag diskutiert, parlamentarisch kontrolliert und demokratisch legitimiert. Die Haushaltsdisziplin würde ein transparentes und effizientes Fördersystem für den weiteren Ausbau der regenerativen Stromerzeugung im Wettbewerb mit anderen politischen Projekten generieren. WOHER KOMMT DAS GELD FÜR EINE HAUSHALTSFINANZIERUNG? Im Wahlkampf zur Bundestagswahl haben die Parteien Besteuerungsmodelle vorgelegt, die den Bürger um deutlich zweistellige Milliardenbeträge entlasten. Durch den progressiven Steuertarif kommen die Entlastungen aber immer auch bei den Besser- und gar nicht bei Geringverdienern an. Die Abschaffung der energiepolitischen Umlagen würde alle Haushalte entlasten und den Konsum erhöhen und zudem Investitionen der Industrie anreizen und Arbeitsplätze schaffen. Die Haushaltsfinanzierung der Energiepolitikkosten ist ein Konjunkturprogramm! Ob sich diese Forderung durchsetzt, muss der politische Diskurs der nächsten Monate zeigen. 28 massivUMFORMUNG | SEPTEMBER 2017


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