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massivUMFORMUNG März 2017

TECHNOLOGIE UND WISSENSCHAFT Bild 2: Identifizierung der kritischen Charge des Werkstoffs 1.9413 Verfahren zählt zudem, dass Einflüsse wie Reibungs und Schmierungsverhältnisse berücksichtigt werden können. Daher wird häufig in der Massivumformung der Stauchversuch zur Ermittlung der Umformbarkeit herangezogen. Dieser ist zwar dank guter Handhabbarkeit und geringer Werkzeuganschaffungskosten sehr verbreitet, stellt sich allerdings als grenzwertig bei der Bewertung von Werkstoffen zum Einsatz mit komplexen Umformungen heraus. Außerdem weist dieses Prüfverfahren mangelnde Sensibilität bei einem breiten Spektrum von Werkstoffen auf, indem zum Beispiel selbst bei Umformgraden von 95 Prozent keine Rissbildung auftritt. Ferner lässt sich der Zeitpunkt, bei dem der erste Riss entsteht, nicht durch die regulär verbreiteten Kraft- und Wegmesseinrichtungen feststellen. Bei weiteren weniger verbreiteten technologischen Prüfmethoden muss wiederum ein besonderes Augenmerk auf die Übereinstimmung der Grundbeanspruchungen im Versuch und dem Herstellungsfall gelegt werden. Aus diesem Grund sind die Aussagen solcher gut reproduzierbaren, aber die verfahrensspezifischen Randbedingungen der Massivumformung nicht abbildenden Verfahren wie Biege- und Faltversuche 4 oder Aufweitversuche 5, 6 nur begrenzt für das Kaltfließpressen verwendbar. VORRICHTUNG ZUR BEURTEILUNG DER UMFORMBARKEIT Ein Beispiel der Werkzeuganordnung eines alternativen Prüfverfahrens ist Bild 1 zu entnehmen. Der Prüfling als ein einfach getrennter Drahtabschnitt wird nach gegebenenfalls notwendiger und ähnlich dem Herstellungsfall aufgebrachter Schmierung in die Führung 1 eingelegt und mit Hilfe des Stempels 2 bis zum ersten sichtbaren Druckkraftabfall durch eine translatorische Bewegung in Richtung Gegenstempel 3 verformt. Während Bild 3: Quantitative Bewertung der Umformbarkeit von unterschiedlich lange auf kugeligen Zementit geglühten Halbzeugen des Werkstoffs 1.7139 der Umformung gelangt ein Teil des Probenwerkstoffs in den Hohlraum 4. Dabei müssen die Messwerte der wirkenden Druckkraft und des Vorschubwegs und/oder der Zeit der Vorschubbewegung des Stempels mittels regulär verbreiteter Messeinrichtungen erfasst werden. Der Vorschubweg und/oder die Zeit der Vorschubbewegung des Stempels, der/die mit dem ersten sichtbaren Druckkraftabfall korrespondiert, stellen einen werkstoffspezifischen quantitativen Kennwert der Umformbarkeit dar und entsprechen dem ersten Risseintritt an der Flanschkante der Probe unter vorgegebenen Umformbedingungen wie beispielsweise Schmierung und Geschwindigkeit. Die Höhe der maximalen Kraft vor dem zweiten und weiterfolgenden Druckkraftabfällen ist aufgrund des unterschiedlichen Werkstoffflusses nach dem primären Werkstoffversagen verschieden und sollte daher nicht zur Beurteilung der Umformbarkeit herangezogen werden. ANWENDUNGSBEISPIELE Im ersten Beispiel werden drei unterschiedliche Chargen des Werkstoffs 1.9413 im warmgewalzten und weichgeglühten Zustand mit phosphatierter Oberfläche untersucht. Der Drahtdurchmesser der Chargen beträgt 10,6 mm. Bei der Verarbeitung einer der Chargen kommt es häufig zu erhöhtem Werkzeugverschleiß und Rissen, insbesondere im Kopfbereich von Schrauben. Die Aufgabe besteht in der eindeutigen Identifizierung der kritischen Charge mit dem neuen Prüfverfahren anhand einer geringen Probenanzahl von sechs Stück, weil in DIN-genormten Zugversuchen keine Unterschiede in den mechanischen Eigenschaften der Chargen festgestellt werden können. Die Prüfung wird mit einer konstanten Vorschubgeschwindigkeit des Stempels von 2 mm/s durchgeführt. Der Vorschubweg von 66 massivUMFORMUNG | MÄRZ 2017


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