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SchmiedeJOURNAL September 2015 002

Kommentar Legislative Process for the Reverse Charge Procedure – Repercussions The partial introduction of a so-called “Reverse charge procedure“ has created major challenges for companies. A retrospective view highlights the resulting strenuous effort required by both legislators as well as practitioners caused by short-term regulatory measures! Gesetzgebungsprozess zum Reverse Charge Verfahren – Konsequenzen SchmiedeJOURNAL September 2015 3 Massenverfahren und Betrugsanfälligkeit Mit der Einführung eines umsatzsteuerlichen „Reverse Charge Verfahrens“ für Metalle hat der Gesetzgeber abermals eine partielle Ausnahme des generellen Prinzips der Steuerschuldnerschaft in der Umsatzsteuer eingeführt. Hintergrund sind in Europa aufgetretene Umsatzsteuer Betrugsfälle beim Handel mit Metallerzeugnissen. Geschlossen werden soll die verfahrensrechtliche Achillesferse zwischen Abführung der Umsatzsteuer und der Möglichkeit des Vorsteuerabzugs. Da es sich bei der Umsatzsteuer jedoch um ein Massenverfahren handelt, bietet sich auf der einen Seite für RA Berthold Welling ist Leiter der Abteilung Steuern und Finanzpolitik des Bundesverbands der Deutschen Industrie e. V. (BDI). den vorsätzlich handelnden Umsatzsteuerbetrüger die Möglichkeit, eine kurze Zeit unentdeckt zu bleiben. Kennzeichnend ist die hohe kriminelle Energie und das schnelle Zusammenwirken sowie ausschließlich auf den Umsatzsteuerbetrug ausgerichtete Strukturen. Auf der anderen Seite bedeutet ein Massenverfahren für die über 99,9 Prozent der ehrlichen Unternehmer, dass die Abwicklung des Umsatzsteuerverfahrens administrativ einfach über Buchungs- und Steuerprogramme abgewickelt werden kann. Änderung nach Änderung… Jede kleinste Änderung des Massenverfahrens kann zu einer Unwucht führen, die für den einzelnen Unternehmer kaum noch zu beherrschen ist. Das Gesetzgebungsverfahren und die notwendigen Erlasse verdeutlichen die Herausforderungen für alle am Verfahren Beteiligten. Das mit dem Kroatiengesetz eingeführte Reverse Charge Verfahren für Metalle sah eine verbindliche Einführung innerhalb von rund drei Monaten bis zum 1. Oktober 2014 vor. Wegen der knappen Zeitvorgaben konnten jedoch viele Unternehmen die ambitionierte Frist nicht einhalten. Aus diesem Grund wurde nur fünf Tage vor der gesetzlich angeordneten Umstellungsfrist eine Nichtbeanstandungsregelung bis zum Ende des Jahres veröffentlicht. Im weiteren Verfahren hat der Gesetzgeber sodann mit dem Zollkodexanpassungsgesetz zehn Tage vor Inkrafttreten die bisherigen vorgesehenen Regelungen mit Wirkung zum 1. Januar 2015 revidiert. Zur Entlastung der Unternehmen wurde die Liste der betroffenen Gegenstände stark gekürzt und eine verpflichtende Bagatellgrenze von 5.000 Euro beschlossen, um den privaten Kleinkunden aus der Regelung herauszunehmen. Dieser Gesetzesbeschluss, der den Unternehmen generell die administrative Umstellungslast erleichtern sollte, bedeutete für die Unternehmen, die bereits das Massenverfahren fristgerecht zum 1. Oktober umgestellt hatten, einen erneuten Umstellungsaufwand. Erforderlich wurde eine erneute Nichtbeanstandungsregelung für die Anwendung der ursprünglichen Regelung, die jedoch erst am 22. Januar 2015 rückwirkend für den Zeitraum vom 1. Januar bis 1. Juli 2015 veröffentlicht wurde. Beschlossener Schnellreaktionsmechanismus benötigt ausreichend Vorlaufzeit Diese Erfahrung muss Konsequenzen für die Umsetzung des sogenannten „Quick-Reaction-Mechanism“ im Umsatzsteuerrecht haben. Die abermaligen Schwierigkeiten einer partiellen Einführung eines „Reverse Charge Verfahrens“ führen der Politik deutlich vor Augen, dass ein Massenverfahren eine Gesetzgebung mit ruhiger Hand und realistischen Zeitvorgaben erfordert. Die Metallerzeugnisse waren für die Umsatzsteuerbetrüger allenfalls Mittel zum Zweck für die „Scheingeschäfte“. Das belegen die zuvor erfolgten umsatzsteuerlichen Betrugsfälle mit „Schaltkreisen“, mit „Mobiltelefonen“ und sogar mit „Schweinehälften“. Für Unternehmen geht es in erster Linie um die Rechtssicherheit im Massenverfahren und um eine administrativ einfache Handhabung des Umsatzsteuerverfahrens. Es ist davon auszugehen, dass einzelne kriminelle Umsatzsteuerbetrüger ein anderes Handelsgut als Betrugsvehikel nutzen werden. Dies zeigt, dass die Umkehr der Steuerschuldnerschaft kein alleiniges Mittel zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs sein kann! Es erfordert zukünftig ein konstruktives Zusammenwirken zwischen Verwaltung, Unternehmen und Gesetzgebung, um den Umstellungsaufwand deutlich zu reduzieren und eine europaeinheitliche Betrugsbekämpfung mit einem rechtssicheren Umstellungsprozess in den Unternehmen zu garantieren. n Die partielle Einführung eines sogenannten „Reverse Charge Verfahrens“ hat die Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt. Ein Rückblick verdeutlicht, dass kurzfristige gesetzliche Maßnahmen sowohl für den Gesetzgeber als auch für die Gesetzesanwender einen Kraftakt bedeuten!


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