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SchmiedeJOURNAL

Fachbeiträge Ergebnis der Härteprüfung Zur Härtemessung wird wie bei Auswertung der Hohlproben das Härtemessverfahren nach Vickers (HV) genutzt. Die Bestimmung der Härte wird mit dem Härteprüfgerät Leica VMHT MOT bei Verwendung einer Prüflast von 200  g durchgeführt. Es werden je Hohlprobe 18 Messwerte für die Bestimmung der Härte aufgenommen. Diese große Datenbasis ermöglicht eine hervorragende Mittelung der Härtewerte. Das Härteverhalten bei zyklischer thermischer Belastung der Hohlproben lässt sich in drei Bereiche unterteilen. Der erste Bereich ist bis 600 °C, der zweite ist zwischen 700 und 800 °C und der dritte ist oberhalb von 850 °C festgelegt. Für Versuchstemperaturen bis 600 °C ist keine signifikante Gefügeänderung feststellbar (Bild 2).Für die zyklischen Versuche von 700 bis 800 °C tritt eine deutliche Reduktion der Härte ein. Diese sinkt mit der Zyklenanzahl und erreicht das Härteminimum bei 2.000 Zyklen. Der Grund für die Härteveränderung ist das Anlassen des Probenwerkstoffs. Die Ergebnisse für die Prüftemperaturen 850 und 900 °C unterscheiden sich deutlich von den bisher beschriebenen: Bereits für den ersten Versuchszyklus ist eine deutliche Härtezunahme festzustellen. Die Härtewerte für die Versuche bei 900 °C liegen dabei oberhalb derer bei 850 °C. Bei weiterer zyklischer Beanspruchung reduziert sich die Materialhärte für beide Parameter kontinuierlich. Der Grund für den grundsätzlich veränderten Härteverlauf bei Versuchstemperaturen von 850 und 900 °C ist die Neuhärtung des Gefüges durch Überschreiten der Austenitstarttemperatur Ac1. Die Austenitisierung in Kombination mit einer starken Probenkühlung resultiert in der Ausbildung eines stark verspannten martensitischen Gefüges, welches als Grund für die deutliche Härtezunahme bereits nach dem ersten Versuchszyklus zu nennen ist. Nach Erreichen der maximalen Härte ist, ähnlich wie bei Temperaturen bis 800 °C, ein linearer Abfall der Probenhärte bei steigender Zyklenanzahl festzustellen. Gründe hierfür 36 SchmiedeJOURNAL September 2014 können eine Entkohlung des Gefüges, eine Änderung der Karbidausscheidungen, eine Veränderung der Korngröße oder Anlassen des martensitischen Gefüges sein. Zum Erreichen eines tieferen Verständnisses der Gefüge- und Härteänderungen bei zyklischer thermischer Beanspruchung sind Gefügeuntersuchungen erforderlich. Ergebnis der Gefügeuntersuchung Es erfolgten Raster-Elektronen-Mikroskop Untersuchungen (REM) und Energiedispersive Röntgenspektroskopie Analysen (EDX). Diese wurden am Institut für Werkstoffkunde (IW) der Leibniz Universität Hannover mit der REM-Anlage MIRA (VisiTec) durchgeführt. Im Folgenden wird die Auswertung für das Ausgangsgefüge und für die Versuchstemperatur 850 °C nach 2.000 Zyklen in einer 8.000-fachen Vergrößerung gezeigt. Die Aufnahmen sind in der Mitte der Hohlproben durchgeführt. Im REM-Bild des Ausgangsgefüges (Bild 3, links) ist eine angelassene martensitsche Struktur mit ovalen Ausscheidungen in der Größe von 0,5 μm bis etwa 1,5 μm zu erkennen. Das Ergebnis für die Versuchstemperatur 850 °C zeigt ein erstarrtes martensitisches Gefüge mit vielen kleinen und einigen größeren im REM-Bild weiß erscheinenden Ausscheidungen (Bild 3, rechts). Die Korngröße ist etwa 1 bis 2 μm groß, wobei im Gegensatz zum Ausgangsgefüge und zum Ergebnis bei 800 °C die Ausscheidungen kugelig eingeformt und die Korngrenzen sehr gut sichtbar sind. Die Gefügehärte ist stark abhängig von der Art der Ausscheidungen. Daher erfolgt neben der rein optischen Auswertung zusätzlich die Bestimmung des Elementgehalts für die Ausscheidungen. Das Ergebnis ist ein recht hoher Molybdän- und Eisengehalt, was ein Hinweis auf M6C-Ausscheidungen ist. Dabei ist festzustellen, dass der Molybdängehalt in den Ausscheidungen beginnend beim Ausgangsgefüge über die Versuchstemperaturen 750 °C, 800 °C und 850 °C bei jeweils 2.000 Zyklen sinkt. Diskussion der Ergebnisse Aus der Literatur ist bekannt, dass Anlasseffekte erst ab 500 °C relevant werden Sjö04, Sch12. Dies wird durch die Versuchsergebnisse bestätigt. Oberhalb der Versuchstemperaturen von 500 bis 800 °C reicht es nicht zu einer Austenitisierung und Neuhärtung des Werkstoffs. Stattdessen ist ein Anlassen des Werkstoffs mit der Folge einer Abnahme der Härte des Warmarbeitswerkstoffs festzustellen. Mit steigender Temperatur wird der Anlasseffekt auf die Werkzeughärte immer stärker. Wird die Austenitisierungstemperatur überschritten, so kommt es zu einer Gefügeneuhärtung. Diese tritt ab 850 °C ein und führt bereits nach dem ersten Zyklus zu einer starken Härtesteigerung. Bis 2.000 Zyklen tritt für die Temperaturen 850  und 900 °C eine deutliche Härtereduktion ein. Die Härtereduktion bei Zunahme der Versuchszyklen kann auf bisheriger Datenbasis durch eine Verformung der Ausscheidungskarbide angenommen werden, benötigt jedoch weitere grundlegende Gefügeuntersuchungen. Zusammenfassung und Ausblick Ausgehend von dem Bedarf an hochbelastbaren Bauteilen und der Möglichkeit, sie mittels Massivumformung herzustellen, wurde die Beanspruchung an die Schmiedewerkzeuge aufgezeigt. Diese haben einen häufigen Werkzeugausfall zur Folge, wobei abrasiver Verschleiß die häufigste Ausfallursache ist. In zahlreichen Schmiedeversuchen und anschließenden metallografischen Auswertungen konnte gezeigt werden, dass die thermische Beanspruchung die Austenitstarttemperatur übersteigt und damit zu einer Gefügeänderung führt. Diese hat lokal Veränderung der Werkzeughärte zur Folge. Da die Werkzeughärte einen starken Einfluss auf das Verschleißverhalten hat, wurden in dieser Arbeit Härtekurven nach zyklischer thermischer Beanspruchung aufgenommen. Hierzu wurde ein Abschreck- und Umformdilatometer verwendet. Für die thermischen Versuche wurden dazu Hohlproben mit einer Wandstärke von 200  μm eingesetzt, mit welchen Aufheizgeschwindigkeiten von 4.000  K/s und Abkühlraten von 2.500  K/s realisiert werden können. Damit können die Bild 3: Ausgangsgefüge (links) und Versuchstemperatur 850 °C nach 2.000 Zyklen (rechts). Bilder: Autoren


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