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2014-03-Schmiede-Journal

Fachbeiträge SchmiedeJOURNAL März 2014 31 Bei dieser Analyse hat sich gezeigt, dass werkstoffseitig sehr viele ähnliche, jedoch nicht gleiche Werkstoffe zum Einsatz kommen, die die Vorratshaltung und den Fertigungsaufwand erheblich vergrößern und damit verteuern. Des Weiteren wurde festgestellt, dass die angewandten Werkstoffe zum einen als Werkstoff und zum anderen aber auch bezüglich des Eigenschaftsbilds teilweise sehr konservativ angelegt waren. So wurden unterforderte Werkstoffe ermittelt sowie die technischen Möglichkeiten einzelner Werkstoffe unter Berücksichtigung entsprechender Sicherheiten nicht oder nur teilweise ausgenutzt. Darüber hinaus wurde festgestellt, dass es konstruktiv in Zusammenhang mit Prozessen und Werkstoffen ebenfalls ein deutliches Optimierungspotenzial gibt. Produktanforderung an hochfeste Stähle Für den Einsatz hochfester Stähle zur Gewichtsreduzierung ist die genaue Kenntnis des Anforderungsprofils wichtig. Neben den reinen statischen Werten in Festigkeit und Duktilität ist auch die Untersuchung der dynamischen Belastung im Einsatz erforderlich, hier speziell unter Berücksichtigung der Lebensdauer des Bauteils. Als weitere Anforderungen kommen die Betriebstemperatur im Einsatz, mögliche Beaufschlagung durch Korrosion und äußere Bedingungen für das Bauteil im Einzelfall (Herstellkosten, Geometrie, Einbauvolumen) hinzu. Fragen nach der Verschleißart, zum Beispiel einem möglichen Schutz durch Beschichtung, gelten als Basis des Lastenhefts. Wenn das Anforderungsprofil an das Produkt bekannt ist, gibt es neue Hürden für die Auswahl hochfester Stähle: Neben Zulassungsfragen, Referenzen, Beschaffbarkeit und allumfängliche Werkstoff-Kenndaten müssen für das Produkt aus dem neuen hochfesten Stahl alle für dieses Produkt erforderlichen Herstellprozesse geprüft werden. In Tabelle  1 sind einige Kriterien für die Herstell- und Fertigungsprozesse aufgeführt. Im Vordergrund der Prozessbetrachtung der hochfesten Werkstoffe stehen die Warm- und Kaltumformbarkeit sowie die Bearbeitbarkeit des Werkstoffs generell sowie die Auswahl der besten Prozessreihenfolge. Gemeint ist zum Beispiel die Ermittlung, wann und in welchem Zustand eine Kaltbearbeitung am kostengünstigsten und materialschonendsten ist. Die Entscheidung über Werkstoffauswahl und geeignete Prozessschritte an dieser Stelle ist sehr komplex und erfordert eine breite Darstellung sowohl der Eigenschaften hochfester Werkstoffe selbst als auch deren Prozessdarstellung. Recherchen im Zuge der Leichtbaupotenzialstudie sowie des Stahlinstituts VDEh zur Umsetzung neuer hochfester Werkstoffe im Langproduktebereich haben gezeigt, dass die Kenntnis über Verarbeitungsprozesse hochfester Stähle deutlich erweitert werden muss, um eine entsprechende Entscheidungshilfe für Konstrukteur und Verarbeiter zu geben. Prozesswissen über finale Bearbeitungsprozesse hochfester Stähle, insbesondere beim Zerspanen, ist vorhanden, aber Prozesse der Warm- und Kaltumformung sowie das Herstellen von Werkstoffverbunden erfordern noch weiterführende Projektarbeit. Hochfeste Stähle für den Leichtbau Mit bekannten Werkstoffen, aber noch neuen beziehungsweise adaptierten Fertigungsprozessen können höhere Werkstoffeigenschaften in Festigkeit und Duktilität erzeugt werden als in den klassischen Normen beschrieben. Dies geschieht zum einen durch die Ausnutzung der technischen Wärmebehandlungsmöglichkeiten, zum anderen durch alle Arten der Kaltverfestigung des Materials. Eine weitere Möglichkeit der Fertigung hochfester Stähle ist die direkte Eigenschaftsbildung aus der Warmumformung heraus, die jedoch einen sehr exakten Prozessverlauf während der Umformung selbst inklusive der erforderlichen Kräfte als auch ganz gezielt geregelte Abkühlgeschwindigkeiten nach der Warmumformung erfordern. Hier ist besonders eine Vielzahl an bainitischen und aushärtbaren Stählen zu nennen. Neue hochfeste Stähle entstehen auch durch Analysenmodifikation und neue technische Möglichkeiten im Stahlherstellungsprozess, diese Elemente prozesssicher im Stahl zu legieren. Als Legierungselemente für Langprodukte und Schmiedestücke sind Mangan, Stickstoff, Vanadin, Bor und Aluminium zu nennen. Diese Legierungselemente sind von der Kostenseite als vertretbar zu betrachten, es ist jedoch durchgängig neues Prozess-Know-how erforderlich. So neigen hoch manganhaltige Stähle im Zuge von Kaltumformungsprozessen zu extremer Kaltverfestigung, was zum einen positiv für das Eigenschaftsbild ist, zum anderen negativ für den Kaltumformprozess selbst sein kann. Zu beachten bei hochfesten1) Stählen (Prozess): • Zerspanungs-Bedingungen g siehe Projekte, auch schwefelarm • Verbund mit anderen Werkstoffen g Verbundschmieden, Kleben • Vermeidung von Wasserstoff-Anfälligkeit • gute Umformbarkeit g Werkstoff-Auswahl • Berücksichtigung von Verzug + Erholungs-Effekten • Eigenspannungsarmut • Erzielung hoher Dehnungs- und Kerbschlagarbeitswerte für dynamische Belastung • äußere Werkstoff-Bedingungen (Reinheitsgrad, Elemente, Gefüge, Korngröße …) • Berücksichtigung von möglicher erhöhter Korrosions-Anfälligkeit • begrenzte Wärmebehandlung im Herstellprozess 1) hochfest = Rm > 1.000 MPa Tabelle 1: Wichtige Faktoren im Verarbeitungsprozess bei der Verwendung von hochfesten Stählen. Werkstoffbetrachtung hochfester Stähle Bainitische Stähle: • Mikrolegierte Stähle ähnlich AFP-Stähle, jedoch mit abgesenktem C-Gehalt. • Eigenschaftsbildung über gezielte schnelle Abkühlung aus Umformhitze auf rund 400 °C und dort halten, um Bainit zu erzeugen und Martensit/Ferrit/Perlit zu vermeiden; idealerweise Prozess so einstellen, dass gesamter Querschnitt zu Bainit führt. • Keine weitere Wärmebehandlung > 250 °C mehr nötig und möglich. • Analyse ist so gestaltet, dass das Bainitgebiet aufgeweitet wird und Ferrit- und Perlit-Bildung verzögert und somit umgangen werden. • Vorteil bainitischer Stähle ist Rm > 1200 MPa bei gleichzeitigen Kerbschlagarbeitswerten > 50 Joule. Tabelle 2: Werkstoffbetrachtung hochfester Stähle (1).


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