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2013-09-Schmiede-Journal

Magazin die Gesellenprüfung ablegte, sechs Jahre später die erste Meisterin. Die Lehre hatte sie nach vielen vergeblichen Bewerbungen im väterlichen Meisterbetrieb in Bad Zwischenahn machen müssen. Für die Gesellenzeit fand sie nach langem Suchen eine Anstellung in Süddeutschland – als einzige Frau unter 30 Männern. Zwischen Gesellenzeit und Meisterprüfung studierte sie Metallgestaltung an der Fachhochschule Aachen. Denn schon nach der Lehre war ihr klar, dass sie nicht acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche durchhämmern wollte. „Das hätte ich schon kräftemäßig nicht geschafft.“ Aus dem gleichen Grund arbeitet sie mit einem leichteren Schmiedehammer, als er bei Männern gebräuchlich ist. „Damit dauert die Arbeit etwas länger, aber ich schone meine Gelenke.“ Zielbewusst machte die junge Kunstschmiede Meisterin sich damals selbstständig, belieferte von ihrer Werkstatt in Bad Zwischenahn aus zeitweise drei eigene Läden in Braunlage und auf Norderney. Das reduzierte sie etwas, als sie heiratete und Mutter wurde. Aber auch danach war sie ständig unterwegs. Als sie beschloss, etwas kürzer zu treten, war ihre Tochter ganz erstaunt, „weil ich zum ersten Mal an einem Sonntag nicht arbeiten ging“. Ein Verkaufsgeschäft auf Norderney blieb übrig, das sie insgesamt 35 Jahre lang führte. Als sie es aufgab, hatte sie sich schon in Oldenburg niederlassen, wo Schmiede und Verkaufsraum nebeneinander lagen. Gegenüber führte sie bis 1991 noch die Galerie „Forum Kunst-Handwerk“, in der sie acht Mal im Jahr fremde Arbeiten ausstellte. Sie selbst kann auf Ausstellungen im In- und Ausland und auf Museumsankäufe verweisen – Ausdruck für die Wertschätzung ihrer Arbeiten, bei denen das Handwerk eine innige Beziehung mit der angewandten Kunst eingeht. Edda Sandstede wusste früh, dass sie keine Schnörkel schmieden wollte, wie man sie mit Kunstschmiede-Arbeiten verbindet. Auch wenn sie früher auf Wunsch die typischen Balkongitter und Sonnenuhren gefertigt hat, sie bevorzugt schlichte Formen und macht heute nur noch, wozu sie Lust hat: sehr grafisch gestaltete Gitter und Tore, strenge Schalen und Leuchter, kleine und große Skulpturen und Schmuck aus edlen und unedlen Metallen. Ihre Formensprache kommt an, wie zum Beispiel eine Auftragsarbeit für die Evangelisch Lutherische Kirchengemeinde Jever zeigt: Der etwa 1,80 m hohe Leuchter ist aus einer Stahlplatte geschnitten. Aus ihr klappt eine Fläche in die Waagerechte, auf der Kerzen platziert werden. Ein innenliegendes Dreieck steht wieder in der Senkrechten. Kaum zu glauben, dass die harmonische Form eine Momententscheidung war, wie sie erzählt: Als sie das Kirchengebäude aus den sechziger Jahren betrat, in dem Dreiecke eine dominante 74 SchmiedeJOURNAL September 2013 Rolle spielen, habe sie direkt gewusst, wie der Leuchter aussehen sollte. Nicht nur diese Arbeit ist ein kinetisches Objekt: Die Bewegungsenergie mag sie eben nicht nur in ihrem Leben, sondern auch in ihren Werkstücken. Das zeigt auch das Modell einer anderen, übermannsgroßen Skulptur – ein eckiger Rahmen, in dem eine runde Form beweglich aufgehängt ist: „Da spielen heute Kinder drin.“ Auch für einige kleinere figürliche Gruppen hat sie sich etwas Besonderes ausgedacht. Sie sind mit ihrer Bodenplatte nicht fest verbunden, sondern werden von Magneten gehalten. So kann der künftige Besitzer immer wieder neu entscheiden, wie die Gestalten zueinander stehen sollen. Ausgelernt hat sie nach ihrer Philosophie nie: Sie probiert aus, experimentiert mit Materialien und Techniken. Jedes Stück, das sie anfertigt, ist ein Unikat – ein weiterer Unterschied zu klassischen Kunstschmieden. Skulpturen und andere Schmiedestücke plant sie sorgfältig am Zeichenbrett. Der Schmuck entsteht dagegen oft aus dem Arbeiten heraus. Dass man bei dieser Meisterin neben dem traditionellen Schmieden auch Gold- und Silberschmieden lernen kann, macht den Betrieb attraktiv für Auszubildende wie die Jahrespraktikanten vom Oldenburger Bildungszentrum für Technik und Gestaltung. Und auch Laien kommen gerne zu Wochenendkursen in die „Alte Schmiede“. Der Schmuck entsteht an einem eigenen Arbeitsplatz im Laden. Darauf gekommen ist Edda Sandstede durch den fachlich-kollegialen Austausch mit einer jungen Goldschmiedin, die eine Zeitlang bei ihr arbeitete. Prompt gab es Ärger mit den Oldenburger Goldschmieden, die auf ihr Handwerksrecht pochten. Pech für die Wettbewerber, dass Edda Sandstede an der Fachhochschule in Aachen auch das Schmuckmachen gelernt hatte. Mit ihrer bekannten Beharrlichkeit wies sie ihre Berechtigung nach und hat seitdem ein weiteres festes Standbein. Manchmal fragt sie sich, ob es richtig war, sich nie auf eine Sache festzulegen. Aber das Ausprobieren reizt sie noch genauso wie am Anfang ihres Berufslebens. „Vielleicht mache ich noch mal Klangobjekte. Davon habe ich bisher erst zwei angefertigt.“ Letztlich ist das die Frage „wofür man lebt und wovon man Edda Sandstede Alte Schmiede am Lappan Lappangasse 4 26122 Oldenburg, Deutschland Telefon: +49 441 15445 Fax: +49 441 2489945 E-Mail: edda.sandstede@gmx.de www.schmiede-sandstede.de Edda Sandstede bietet in Ihrer Werkstatt Schmiedekurse für jedermann an, in denen die Teilnehmer unter fachkundiger Anleitung selbst am Schmiedefeuer arbeiten. Die Kurse finden samstags von 10:00 bis 18:00 Uhr statt und kosten 150 Euro inkl. MwSt. und Material. Ermäßigungen gibt es auf Anfrage für Schüler, Studenten und Auszubildende. Die Teilnahme ist auf eine Gruppenstärke von zirka vier Personen begrenzt. lebt“, über die sie schon während der Lehre mit ihrem Vater diskutierte. Sie denkt kurz nach: „Eigentlich muss man diese Entscheidung auch heute noch treffen, wenn man einen Handwerksberuf in der Richtung Angewandte Kunst wählt.“ n Corinna Blümel Bild: Fotostudio Balsereit, Köln „Im Gespräch“ Bild: Studio Zahn, Oldenburg Innige Beziehung: Edda Sandstede mit geschmiedeter Brosche. Bild: Markus Hibbeler/dapd


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