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2013-09-Schmiede-Journal

Fachbeiträge SchmiedeJOURNAL September 2013 35 nommen. Mit Hilfe des entsprechenden Anlassdiagramms 4, 5 kann daraus die beim Schmieden in der Randzone vorliegende Spitzentemperatur ungefähr ermittelt werden. Die Härtemessungen ergaben, dass die Temperaturen an den Außenradien der Werkzeuge in 40 μm Tiefe beim Schmieden bis zu 770 °C betragen können. An der Oberfläche des Werkzeugs, die direkt mit dem Schmiedestück in Berührung kommt, ist mit noch höheren Temperaturen zu rechnen, sodass die hellen Bereiche, die teilweise an der Oberfläche der Werkzeuge beobachtet wurden, tatsächlich als umgewandeltes Gefüge zu deuten sind. Ob die Abkühlung mittels einer Gesenksprühung schnell genug stattgefunden hat, um Martensit zu erzeugen oder ob es sich hierbei um ferritische Gefügeanteile handelt, konnte nicht eindeutig festgestellt werden, da diese Bereiche zu dünn für eine herkömmliche Härtemessung sind. In den flachen Gravurbereichen, in denen die Beanspruchung der Werkzeugrandzone als eine überwiegend thermische Wechselbelastung beschrieben werden kann, war bei hohen Nitrierhärtetiefen Oberflächenzerrüttung zu beobachten. Durch die Spannungen und Plastifizierungen, die durch unterschiedliche Ausdehnung der Gesenkbereiche mit unterschiedlichen Temperaturen entstehen, bildet sich ein Rissnetzwerk aus, das Ausgangspunkt für weitere Schädigungen ist. Die Nitrierhärtetiefe war in diesen Bereichen noch weitestgehend vorhanden, lediglich die Höhe der Randhärte ist durch Anlassen geringer, und zwar abhängig von der Anzahl der durchgeführten Umformungen (zunehmende Anlassdauer). Bei ausreichender Dicke schützt die Nitrierschicht den Grundwerkstoff vor einem Härteverlust durch Anlassen. Bei den Varianten (Tabelle 1) mit geringen Nitrierhärtetiefen ist bereits nach 60 Prozent der durchschnittlichen Standmenge ein Härteverlust im Grundwerkstoff unter der Nitrierschicht zu beobachten. In den Innenradien der Obergesenke war die Nitrierschicht in allen Fällen nach 60 Prozent der durchschnittlichen Standzeit noch vorhanden, jedoch durch Warmrisse geschädigt, die meist innerhalb der Nitrierschicht enden. Die Härtemessungen ergaben, dass hier so gut wie kein Härteabfall stattfindet. Die Temperatur muss beim Schmieden demnach am Innenradius in 40 μm Tiefe unterhalb der Nitriertemperatur liegen, da die Nitrierschicht etwa bis zu dieser Temperatur anlassbeständig ist. Mit zunehmender Standmenge treten neben den Warmrissen in diesem Bereich auch größere Ausbrüche auf. Bei keinem der mit Verbindungsschicht nitrierten oder nitrocarburierten Werkzeuge ist diese nach dem Schmieden noch zu erkennen. Sie muss daher während der Abschmiedung abgetragen worden sein. Es konnte anhand der untersuchten Werkzeuge jedoch nicht festgestellt werden, ob die Verbindungsschicht kontinuierlich abgetragen wurde oder in größeren Stücken herausgebrochen ist und zu welchem Zeitpunkt dies passiert ist. Zusammenfassung Obwohl eine große Vielfalt an nitrierten Randschichten untersucht wurde, gab es keine Behandlung, die zu einer statistisch signifikanten Standmengenerhöhung führte. Die mikroskopische Betrachtung der unterschiedlichen Gravurbereiche der Werkzeugpaare zeigte, dass der Materialverschleiß an abrasiv beanspruchten Stellen durch eine hohe Nitrierhärtetiefe verlangsamt werden kann. In den Innenradien, in denen der Materialfluß beim Schmieden eine geringere Geschwindigkeit hat, reicht eine geringe Nitrierhärtetiefe aus. In Bereichen, die hauptsächlich durch Temperaturwechsel beansprucht werden, ist eine mittlere Nitrierhärtetiefe zu wählen, da bei großen Nitrierhärtetiefen vermehrt Oberflächenzerrüttung beobachtet wurde. Die Wahl einer geeigneten Nitrierbehandlung sollte abhängig von den für den Ausfall des Gesenks verantwortlichen Gravurbereichen und der in diesem Bereich optimalen Nitrierhärtetiefe getroffen werden. Eventuell wäre abhängig vom Werkzeug auch eine Nitrierung in mehreren Schritten denkbar, in der zunächst die Gravurbereiche abgedeckt werden, in denen eine niedrige Nitrierhärtetiefe benötigt wird. n Danksagung Das IGF-Vorhaben 16587 N der Forschungsvereinigung Forschungsgesellschaft Stahlverformung e. V. wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert. Die Langfassung des Abschlussberichts kann bei der FSV, Goldene Pforte 1, 58093 Hagen, angefordert werden. Die Autoren danken außerdem der projektbegleitenden Patengruppe und insbesondere der Firma Hirschvogel für die Anregungen und Diskussionen bei den Sitzungen sowie für die aktive Unterstützung des Projekts. Literatur 1 Heinemeyer, D.: Untersuchungen zur Frage der Haltbarkeit von Schmiedegesenken. Dissertation TU Hannover 1976. 2 Klümper-Westkamp, H.: Optimierung der Randschichtzusammensetzung durch Nitrieren von Warmarbeitsstählen zur Steigerung der Werkzeuglebensdauer. Abschlussbericht der Projektstudie IMU12, Mai 2009, Industrieverband Massivumformung e. V., Goldene Pforte 1, 58093 Hagen. 3 Klümper-Westkamp, H.: Load-adapted nitriding and nitrocarburising of forging dies for hot massive forming of steel. European Conference on Heat Treatment 2010 Nitriding and Nitrocarburising, 29-30 April 2010, Aachen, Germany. 4 Spies, H.-J.; Berns, H.; Ludwig, A.; Bambauer, K.; Brusky, U.: Warmhärte und Eigenspannungen nitrierter Stähle. HTM Härterei-Techn. Mitt. 53 (1998) 6, S. 359- 366. 5 Dr. Sommer Werkstofftechnik GmbH: StahlWissen NaviMat. Version 6.0.301- XXL. Datenversion 29.03.2006. Werkstoff: 1.2367 – X38CrMoV5-3 – DIN EN ISO 4957:2001-02. Dipl.-Chem. Stefanie Hoja Dr.-Ing. Heinrich Klümper-Westkamp Prof. Dr.-Ing. habil. Franz Hoffmann Prof. Dr.-Ing. Hans-Werner Zoch Norbert Baumgartner Dr.-Ing. Stephan Weidel


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