Magazin Heute verbindet man diese Wohl klänge – ein tiefes Timbre mit einzig artig reinen Ober tönen – mit den Myōchin Feuer zangen. Mit deren Herstellung hatte die Familie im 19. Jahr hundert begonnen, als die Ära der Sa mu rai endete – und damit die Ver wendung von Rüs tungen und Helmen. Das Geschäfts feld, das die Familie über Jahr hunderte getragen hatte, exis tierte nicht mehr. Myōchin Muneyuki, das Fa milienoberhaupt in der 48. Generation, ent schied sich bei der Suche nach einem neuen Produkt für die Feuerzangen – damals ein stark nach gefragter Alltags gegen stand. Der war weniger aufwendig in der Herstellung als die Rüstungen, wurde aber mit der gleichen Sorg falt geschmiedet. Mit dieser Entscheidung rettete Myōchin Muneyuki das Familien unternehmen vor dem Unter gang. Ein solcher drohte erneut, als nach dem zweiten Welt krieg moderne Heizungen die Kohlebecken aus den Haus halten verdrängten: Die Nach frage nach Feuer zangen sank natur gemäß rapide. In den 1960er Jahren kämpfte das Familien unternehmen deshalb er neut um das wirtschaftliche Über leben. Myōchin Munemichi als bis heute amtierendes Ober haupt war entschossen, die mehr als 800-jährige Schmiede tradition der Familie nicht unter gehen zu lassen. Das Klingeln der Feuer zangen erinnerte ihn an den Ursprung des Namens Myōchin. Der reine Ton sollte in Wind spielen weiter leben, beschloss er. Bis es soweit war, musste er aller dings erst einmal experimentieren, denn eigentlich waren die Metall stäbchen zu schwer, um von einer leichten Brise gegen einander ge schlagen zu wer den. Ein kleines, leichtes Pen del in der Mitte war die Lö sung. Die Wind spiele erfreuten sich schnell großer Beliebt heit in Japan. So führte der Weg die einstigen Rüstungs schmiede über den einfachen Alltagsgegen stand hin zu einem hoch spezialisierten Kunst hand werk. Neben den Feuer zangen- Windspielen entstehen bei Myōchin heute zum Beispiel auch Klang schalen. Die Myōchin-Wind spiele bestehen aus einem besonderen Stahl, der auch für die hochwertigen japanischen Schwerter verwendet wird. Das auf wendige Verfahren zur Gewinnung des wert vollen „Jades tahls“ ist aus dem alten Japan über liefert: Aus 10 Tonnen Eisen sand und 13 Tonnen Koks gewannen 13 Schmiede in drei Tagen und Nächten gerade einmal 3 Tonnen des hoch wertigen Stahls. Bis heute schmiedet der inzwischen 70-jährige Myōchin Munemichi die Feuer zangen von Hand. Weitere Arbeits schritte sind das Schleifen, die Gravur mit dem Marken namen Myōchin und das Ein brennen der schwarzen Farbe mit Holz kohle. Danach werden die Stäbe poliert und mit dem Pendel an der Auf hängung moniert. Myōchin Munemichi sagt, er sei wohl der einzige, der die Feuer zangen mit dem spe zi fi schen Klang und dem langen Nachhall 70 SchmiedeJOURNAL September 2012 herstellen kann. Der Grund muss seine aus gefeilte Schmiede technik sein – das Erhitzen und Ab schrecken sowie die Variation der Hammer schläge. Eine wissen schaftliche Erklärung für das Phänomen ließ sich bisher jeden falls auch mit Elektronen mikroskop und Röntgen strahlen nicht fi nden. Die klingenden Feuer zangen lassen sich nicht nur zu Wind spielen verarbeiten. Sie werden auch als Percussion-Instrument eingesetzt sowie für Sound effekte bei Theater und Film. Sie wurden 1996 als offi zielles Mit bringsel des japanischen Teams bei den Olympischen Spielen in Atlanta aus gewählt. Und es gibt weitere überraschende Einsatzgebiete: So half der reine Klang der Firma Sony in den 1950er Jahren, die Leistung ihrer Mikro fone deutlich zu verbessern. Da die Feuer zangen immer den exakt gleichen Ton erzeugten, eignen sie sich hervor ragend für den Sound check von Mikro fonen. Auch der Uhren hersteller Seiko ließ sich vom Myōchin-Klang verführen, als er eine mechanische Arm band uhr der Luxus-Klasse auf den Markt brachte. Die Uhr namens Credor Spring Drive Minute Repeater schlägt die Minuten mit einem besonders reinen und an genehmen Ton. Um den Klang der Windspiele auf dem sehr beengten Raum eines Uhrgehäuses vollendet zu reproduzieren, benötigte Myōchin immer hin mehr als drei Jahre. An solchen Spezial aufträgen für die Industrie beweist Myōchin Munemichi sein großes Können und sichert die Zukunft des Familien unternehmens. Für die weitere Generationen folge ist bereits gesorgt: Die drei Söhne bleiben dem Schmiede hand werk treu. Der mittlere ist als Schwert feger-Meister eingetragen – ein traditions reicher Beruf, der in Japan nur mit Zu lassung aus geübt werden darf. Doch noch hat Myōchin Munemichi das Heft fest in der Hand und bleibt auch im fort geschrittenen Alter offen für neue Entwicklungen und Experimente: In den vergangenen Jahren beschäftigte er sich mit dem Schmieden von Titan. Der Werk stoff lockt mit zahl reichen positiven Eigen schaften: Er ist sehr hart und doch leicht, er leitet Wärme langsam, setzt nur schwer Rost an und löst keine Allergien aus. Aber weil Titan früh auskühlt und hart wird, ist es äußerst schwer zu verarbeiten. Mit der lebens langen Schmiedeerfahrung löste der Alt meister auch diese Heraus forderung und über lieferte uns: „Es war für mich wie ein Sohn, den ich erziehen musste“. Inzwischen kann Myōchin Feuerzangen und Klang schalen aus Titan herstellen, die noch einen volleren und tieferen Klang haben als die aus Stahl. So werden die schwebenden Klänge der Myōchin-Windspiele auch künftig vom leichten Sommer wind durch die Gärten und über die Terrassen Japans getragen. ■ Bild 2: Während des Schmiedens. Bild: Myo-chin Munemichi Bild 3: Hochwertige Armbanduhr mit Myo-chin-Klang. Bild: Su Jia Xian (www.WatchesbySJX.com) Bild 4: Schwertfegermeister Myo-chin Yo - suke. Bild: Myo-chin Munemichi Autorin: Corinna Blümel, Autor: Seiichiro Miyajima Bild: Fotostudio Balsereit, Köln Ein kurzes Video zur Minutenankündigung der Armbanduhr: http://www.youtube.com/watch?v=C3- n0hZlhuI&feature=player_embedded
2012-09-Schmiede-Journal
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