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2011-03-Schmiede-Journal

Dialog lichen Gelder durch die Hochschulreform ef fi - zien ter eingesetzt würden. Spricht das nicht für den Bologna-Prozesses? Als Rektor einer Technischen Uni ver si tät stehe ich ohne Wenn und Aber für den effi zienten Ein satz der Ressourcen. Klar ist, dass wir im welt weiten Wettbewerb der Volks wirt schaften im Wis senszeit alter exzellent aus ge bil de te Aka de mi ker brauchen. 30 bis 40 Pro zent eines Jahrgangs sollen nach dem Willen der Po li tik eine akademische Aus bil dung er hal ten. Dies im Umfang einer fünf jäh ri gen uni ver si tären Ausbildung zu realisie ren, da ge gen stehen Kosten und auch in haltliche Gründe: Brauchen wir wirklich in dem Um fang eine forschungsorientierte Aus bil dung? Ich meine, nein. Es ist erneut an der Zeit, auf die gute Qua li fi ka tion deutscher Fach hoch schul inge nieure hin zuweisen. Idealerweise ge kop pelt mit einer berufl ichen Ausbildung, also einer Le hre, kann in einem drei- bis vier jäh ri gen Studium ein leistungsfähiger, an wen dungs be zo gener Ingenieur ausgebildet werden. Ähn liches gilt für viele andere Berufe, und in dieser Aufgabe müssen die Fachhochschulen gestärkt werden. Ich fordere, dass 80 Prozent der zu künf tig aus zu bil den den Akademiker über diesen Weg gehen sollen. Ein kleinerer Teil der Ingenieure, also etwa 20 Prozent, sollte for schungs orientiert ausgebildet werden. Nur diese brauchen den längeren Ausbildungsweg bis zum Master. Sie werden vorbereitet für Auf ga ben in Forschung und Entwicklung. Und von diesen sollte wie derum nur ein kleiner Teil, also etwa ebenfalls 20 Prozent, im Rahmen einer Promotion befähigt werden, in der Wis sen schaft vertieft zu arbeiten. Ein solches, ge stuf tes System vermittelt solide Ausbildung bei Schonung staatlicher Ressourcen und Ver mei dung überlanger Studienzeiten. Vorteil der Umstrukturierung der Hoch schul land schaft und Anglei chung des Studiums und der Ab schlüs se in Europa sollte sein, dass Stu dieren de leichter ein Auslandssemester machen können. Das sollte die Chancen der Ab sol venten auf dem internationalen Ar beits markt erleich tern. Ist es Ihrer Erfahrung nach dazu gekom men? Politisches Ziel ist es, dass 50 Prozent der Studierenden stu dien be zo gen ins Ausland ge hen und 20 Prozent der deut schen Stu die ren den we nig stens ein Se mes ter ihres Studiums im Ausland absolvieren. Vordergründig scheint es so, dass die engeren curricularen Vorgaben der Bachelor- und Master-Studiengänge dieses Ziel konterkarieren. Dennoch stellen wir fest, dass die Bereitschaft, während des Studiums ins Ausland zu gehen, wächst. Besonders bewährt haben sich hier die Kooperationen mit Part nern im Ausland, um die Wege zu ebnen. Allerdings führt dies oft zur Verlängerung der Stu diendauer, was aber aus meiner Sicht auch kein Nachteil ist. 16 Schmiede-Journal März 2011 Haben sich mit dem Bologna- Prozess auch die Lern in hal te verändert? Stichwort Ver schlankung des Studiums. Mit der Umstellung hat man sich in den Ingenieurfächern auch die Curricula angesehen und, wo es sinnvoll erschienen ist, diese ange passt. Als Maschinenbaustudent werden sie aber nicht um Thermodynamik oder Ma thema tik herumkommen. Entscheidend für die universitären Studiengänge ist also, dass unsere Studierenden schon in der Bachelorphase das Fundament für eine forschungsorientierte Arbeits wei se legen. Dies bedeutet in der Regel das Er lernen der theoretischen Grundlagen in der Ma thematik und den Naturwissenschaften. Ist der Abschluss Diplom-In genieur tatsächlich die starke „Marke“, die auch im Ausland nach gefragt wird? Der Diplom-Ingenieur ist am 11.10.1899 eingeführt worden und steht für die hohe Qualität der deut schen Ingenieurausbildung. Die deut schen Wirtschaftsverbände kämpfen seit einiger Zeit ja für das Label „Made in Germany“ und gegen Brüsseler Ent wick lun gen, die zu „Made in EU“ führen können. Da gibt es Parallelen. Denn hier sagen die Wirt schafts ver bän de zu Recht, dass es neben der Qua li tät der Bauweise auch entscheidend auf das Label ankommt. Im Prinzip möchte TU9 nichts anderes als die deutsche Wirtschaft bei ihren Exporten: Ein eingeführtes international anerkanntes Quali täts label auch künftig ver lei hen, den „Dipl.- Ing.“. Stellen sich die TU 9 mit ihrer Forderung nach Wiedereinführung des Diplom-Ingenieurs nicht gegen die Interessen der Arbeitgeber, die für den Bologna-Prozess stehen? Das sehe ich nicht: „Ein ‚Dipl.- Ing.‘ vor dem Namen ist wie ein Stern auf der Haube: ein Markenzeichen für höchste Qua li tät“. Das sagt Dieter Zetsche, Vorsitzender des Vorstands der Daimler AG und übrigens ein Diplom- Ingenieur. „Handelsblatt“ und der Ver band „Die Führungskräfte“ haben eine Um fra ge zum Thema gemacht, demnach haben sich 84 Prozent der befragten Führungskräfte in Deutsch land für die Wiedereinführung des „Di plom-In genieurs“ ausgesprochen. Die Um fra ge ist am 12.11.2010 veröffentlicht wor den. Einer Be fragung von Staufenbiel (JobTrends Deutsch land 2011) zufolge, wel che die Ent wick lun gen am Arbeitsmarkt für Ab sol ven ten un ter sucht, stellt sich bei Un ter neh men, die Ab sol ven ten techni sch- na tur wissenschaftlicher Stu diengänge ein stel len, folgendes Bild dar: Dem nach ha ben Na turwissenschaftler mit Bache lor nur in gut der Hälfte der Firmen eine Chan ce. Das Universitäts- Diplom bleibt nach wie vor der meistakzeptierte Abschluss. Man kann also sagen: Wir vertreten die In te res sen der Wirt schaft. Vielleicht nicht die der Ar beit ge ber ver bände. Aber das ist nicht immer das Gleiche. Arbeitgeber beklagen in jüngs ter Zeit immer wieder fehlende Fachkräf te. Ist der Bachelor mit seiner verkürzten Studienzeit da rauf nicht die richtige Antwort? Nein, diese Frage greift zu kurz. Denn sie suggeriert doch: Kür zere Ausbildung bringt mehr Fachkräfte. Nein, kürzere Aus bil dung bringt weniger qualifi zierte Fach kräf te. Um mehr Fachkräfte auf allen Qua li fi ka tions stu fen zu haben, müssen wir die Berufe ins ge samt attraktiver machen, vor allem durch gute Gehälter. Es muss wieder wie früher gel ten: Eine gute Ausbildung, sei es im Betrieb oder sei es in der Hochschule ist die beste Ver siche rung gegen Arbeitslosigkeit und ein sicherer Garant für einen interessanten Beruf mit gutem Verdienst. Es muss sich einfach wieder lohnen, die Mühe einer Ausbildung auf sich zu nehmen. Wo sehen Sie Kompromiss- Mög lich keiten für den Bolog na- Pro zess, zu dem sich Deutsch land ver pfl ich tet hat, und Ih ren Forderungen nach Bei be hal tung alter Ab schlüs se und Stu di en inhalte? Ein solcher Kompromiss ist doch gar nicht erforderlich, da wir mit unseren Forderungen ganz auf der Linie des in ter na tio na len Bologna-Prozesses befi nden. Wir for dern lediglich die Re vidierung einer über schäu men den deutschen Ge setz gebung, die in ihrem Eifer Dinge ab ge schafft hat, die in ter na tio nal gar nicht gefordert waren. Da nach der Bologna-Reform die Mas ter-Ab sol venten in den Ingenieurfächern das glei che Qua lifi ka tions pro fi l erreichen werden, das früher an den Uni ver si täten mit dem Di plom studiengang erlangt wurde, wollen wir wahl weise statt des Grades „M.Sc.“ oder „M.Eng.“ in den In ge nieurwis sen schaften der Grad „Dipl.-Ing.“ ver ge ben. So machen das heute viele Länder in Europa – bolognakonform - nur uns ist das ge setz lich untersagt. Warum? Das wollen wir än dern! ■ Prof. Dr.-Ing. Martina K. Schneiders Ernst Schmachtenberg


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