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massivUMFORMUNG September 2016 01

KOMMENTAR Industrie 4.0 in der Massivumformung wagen Mit großer Öffentlichkeitswirkung werden seit geraumer Zeit die Ausgestaltung, Chancen und Risiken von Industrie 4.0 in politischen, wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Gremien diskutiert. Nach anfänglich weit verbreiteter Zurückhaltung rücken in jüngerer Zeit die faszinierenden Möglichkeiten von vernetzten Produktionssystemen deutlich in den Fokus. Als bedeutende Branche der deutschen Industrie steht es der Massivumformung gut an, ihre Gestaltungsmöglichkeiten einzubringen. Denn sie steht auf zwei, für die Digitalisierung besonders interessanten, Säulen: ausgeprägt erfahrungsbasiertes Wissen für die Herstellung von hochwertigen Produkten und die Nutzung von langlebigen, teuren Investitionsgütern. Viele erfolgreiche Geschäftsmodelle der Informationstechnologie in anderen Bereichen florieren gerade unter diesen technischen und wirtschaftlichen Bedingungen besonders gut. Im Interview beschreiben Dr. Lukas Kwiatkowski und Dr.  Christian Hinsel, wie durch die digitale Vernetzung einzelne Prozessschritte, aber auch ganze Wertschöpfungsketten in ihrer Effizienz gesteigert werden können. Dies gelingt, wenn hochwertige Daten als wertvolles Gut angesehen und genutzt werden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik haben in ihrem kürzlich erschienenen „WGP-Standpunkt Industrie  4.0“ eine Handlungsempfehlung zur Umsetzung von Industrie  4.0 in Unternehmen dargestellt. Darin wird eine schrittweise umfassendere Erfassung und Nutzung von Daten empfohlen. Ausgehend von einer Bestandsaufnahme der bereits heute aufgenommenen Daten und einem Schließen von vorhandenen Lücken kann ein Aufbau von Assistenzsystemen angegangen werden. Mit diesen soll sichergestellt werden, dass bereits gemachte Erfahrungen möglichst vollumfänglich Prof. Dr.-Ing. Dipl. Wirtsch.-Ing. Peter Groche leitet das Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen (PtU) der TU Darmstadt im Unternehmen ausgenutzt werden. In weiteren Schritten können die Erfahrungshintergründe von mehreren Prozessstufen zusammengeführt und neue Abläufe in den Kunden-/Lieferantenbeziehungen etabliert werden. Schließlich ist dann die höchste Stufe der Umsetzung greifbar: autonome, selbstregelnde Produktionssysteme. Die umfassende Digitalisierung und Vernetzung eröffnet auch über eine Effizienzsteigerung hinausgehende Chancen für Unternehmen der Massivumformung: Wertschöpfungsketten und Produktarchitekturen können neu gestaltet werden. Zwei Handlungsstränge scheinen für die Massivumformung besonders interessant. Einerseits könnte die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle für eine bessere Nutzung teurer Ressourcen genutzt werden, indem beispielsweise kapitalintensive Anlagen unternehmensübergreifend betrieben werden. Andererseits bilden massivumgeformte Bauteile den Kern vieler hochbelasteter und vielfach weiter veredelter Komponenten. Wer könnte die Rolle des Integrators von mechanischer Struktur, Informationstechnik, Sensorik und Aktorik besser übernehmen als ein Massivumformer? Derartige Voraussetzungen bergen die Chance auf einmalige Geschäftsmodelle. Wagen Sie es! Viel Erfolg wünscht Ihnen dabei Ihr 24 massivUMFORMUNG | SEPTEMBER 2016


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